http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/werner1919/0029
23
13. Unvollständige Beichte.
Man liset, daz ain herre waz, der het Fol. LXim
gar ain schon tochter, die waz im gar lieb und du begert
und bat iren vater, daz er ir ain clusen macht, da si
got inne dienti. Und diz tet er gar ungern und tet es
doch. Und si lebet mainig jar hailiclichen. Do si sterben
solt, do bichtot si und nam gotes lichnam und wart
geölt und starb.
Do het si ain junkfröwen, die vor ir waz gewesen
und ir gedienot het. Die saczt sich darnach in die
clusen und bat ünsern herren, daz er ir liesi erschioen,
in welher wise ir junkfrö wäre. Und do si waz in
irem gebett, do kam ir junkfrö für die clusen gar
iemerlichen und waz grülichen gestalt und sprach zu ir:
„Waz wiltu' min?"
Do sprach si: „Ich wolt gern wissen, ob ir zu dem
ewigen leben warint komen oder nicht". Si sprach:
„Nain, zu dem ewigen leben kum ich niemer". Do
sprach si: „Liebi junkfröw, nun lebt ir doch gar hailiclichen
und betten gern und namen gotes lichnam
und wurden geölt an üwerm leczten zit". Do sprach
si: „Ich hett ain haimlich sünd. Der schämet ich
mich ze bichten. Darumb müz ich ewiclich verdamp-
not sin".
Dar umb sol sich nieman schämen: Er sölli die
warhait sagen, wie groze die sünd si und wie schemlich
si sige. Und wie vil der sünden ist, so sol nieman
verzagen an gotes erbarmherczikait, dü ist grözer denn
aller der weit sünde.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/werner1919/0029