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kaum als ein Einfluss dieses Schriftstellers auf Dickens anzusehen
ist.
Nachdem somit eine gewisse Suprematie Fieldings und
Smolletts bei Dickens festgestellt worden ist, sollen zunächst
einige allgemeine Betrachtungen über Übereinstimmungen in
ihren Werken folgen.
In den Beginn des 18. Jahrhunderts fällt bekanntlich
für die Entwicklung des Romans ein wichtiger Wendepunkt
Der alte Abenteuer-Roman hatte sich überlebt, und an seine
Stelle trat eine neue Gattung, der Familienroman. Die Bahn
brach in England Richardson, und er wurde bald in der
Befestigung und Ausbildung der neuen Gattung unterstützt
durch Fielding und den sich an diesem bildenden Smollett.
Ihr Bestreben ging darauf, die Dinge, wie sie sind, in ihrer
ganzen alltäglichen Wirklichkeit darzustellen. „An Stelle
abenteuerlicher Liebesgeschichten, geistloser Ungeheuerlichkeiten
, absurder Raisonnements und gänzlichen Mangels individueller
Charakterzeichnung traten nun plötzlich die Natürlichkeit
der Erfindung, der Empfindungen und Darstellung,
kurz, die Wahrheit wurde in ihr Reich geführt, das ihr von
jeher gehört hatte, dessen Besitz ihr aber im Roman bis
dahin meist war vorenthalten wurden." (Wolfif S. 269.)
Richardson schoss allerdings in seinen Bestrebungen etwas
über das Ziel hinaus. Seine Fehler waren, dass er in der
psychologischen Charakterzeichnung zu breit wurde und die
Tugend idealisierte. Hiervon sind Fielding und Smollett freizusprechen
. Sie stellen die bare Natürlichkeit dar mit allen
ihren starken, als auch schwachen Seiten und nehmen die
Menschen, wie sie wirklich sind. Es ist daher nicht zu verwundern
, wenn Dickens, der Hauptvertreter des Familienromans
im 19. Jahrhundert, gerade an diese seine Vorgänger
anknüpfte, zumal da er bei ihnen auch etwas vorfand, was
seinem ganzen Wesen zusagte, nämlich den (bei Smollett fast
zu sehr gesteigerten) Humor.
Das Wesen des Familienromans brachte es mit sich, dass
man auch die mittleren und unteren Schichten der Gesellschaft
in ihrem Thun und Treiben zum Gegenstande der
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