Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
1.1907/8
Seite: 3
(PDF, 135 MB)
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anschauung das Wesen der Persönlichkeit auf Kosten ihres Pantheismus
unterschätzte. Das Gegenteil ist der Fall. In kaum einem anderen
System über Gott und Welt kann der Individualität eine umfassendere
Bedeutung eingeräumt werden, soweit es sich um eine transzendentale
Auffassung überhaupt handelt. Freilich muß der Okkultismus der physischen
, vergänglichen Person eine untergeordnete Bedeutung beimessen.
Die vielfach irrtümliche Auffassung von der Bedeutung der Individualität
im Okkultismus beruht fast ausschließlich auf der falschen Vorstellung
von dem, was Theosophie und Buddhismus als Nirwana bezeichnen.
Dieses Nirwana ist alles andere als das Nichts, das Unbewußte, für das
es meist gehalten wird. Die Individualität ist unvergänglich, und sie
erlöscht auch nicht, wenn sie nach Nirwana zurückkehrt. Mit dem Eintritt
in das Nirwana erlangt die individuelle Seele nach theosophischer
Lehre den Zustand eines Allbewußtseins. Es ist eine okkultistische Weisheit
, einzusehen, daß menschliche Spekulation darüber, wo Bilder und
Begriffe fehlen, müßig sind. Solange die Erkenntnis nicht weiter entwickelt
ist als in der Gegenwart, muß die glaubhafte Lehre genügen, daß Nirwana
kein Erlöschen der Individualität bedeutet, sondern eine Erweiterung der
individuellen Bewußtheit zum Ein-AU-Bewußten.

In unserem modernen Empfinden wäre ein Maßstab für die Brauchbarkeit
einer Religion und Weltanschauung ihre Stellung zur Individualität
. Wrie stellt sich das Christentum zu dieser Frage? Die christliche
Lehre enthält wie alle religiösen Offenbarungen ewige Wahrheiten und
ist dem Geiste des Okkultismus nahe verwandt. Aber sie ist dem Verhängnis
nicht entgangen, das über allen auf Autoritäten gestützten
Systemen waltet. In dem Maße, in dem die Lehrentwicklung und Weiterbildung
stockte, mußte sie mit dem fortschreitenden Zeitgeist in Widerspruch
kommen. Kaum heute erkennt die Kirche, wie wenig weise es
war, dem Verlangen nach Aufklärung, dem Volkserwachen, ihre Autorität
entgegenzustellen. Die Versuchung war groß und siegte. Die Orthodoxie
möchte noch jetzt eigensinnig die Ergebnisse der neuen Natur- und
Geschichtsforschung totschweigen. Stirner und Nietzsche waren die unvermeidlichen
Gegensätze auf die Jahrhunderte lang behauptete Reaktion,
auf die nun überwundenen Dogmen, die nicht mehr sittlich sind, weil
sie in einer zu verstärktem Selbstbewußtsein gereiften und zum Teil im
Materialismus lebenden Zeit auf ein Jenseits und 'auf Ideale vertrösten»
die im Laufe der Jahrhunderte nur noch in Äußerlichkeiten erkennbar
und für die Meisten inhaltslos geworden sind. Die geforderte Entsagung
und Verlegung des Lebensinhaltes auf ein Jenseits will niemand auf sich
nehmen, wreil die Kirche keinen Ersatz, keine innere Freiheit und Erlösung
schon hier bietet.

Das Christentum lehrt, wie verschiedene philosophische Systeme
im modernen Okkultismus, einen transzendentalen Individualismus. Hier
ist, im Gegensatz zur wichtigsten Weltauffassung innerhalb des Okkultis-

l*


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