Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
1.1907/8
Seite: 102
(PDF, 135 MB)
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102 —

der Geistesgeschichte der Menschheit folgte. Der Buddhismus hat das
mit dem Positivismus der Philosophie gemein, daß er eine Erkenntnis der
letzten Dinge für nicht möglich und auch nicht notwendig. erachtet.
Er ist keine Offenbarungsreligion, sondern eine Erfahrungslehre und kann
mit Recht eine Diesseitsreligion genannt werden.

Das Ziel ist die „Erlösung vom Leiden*. Was darüber hinausgeht
hat mit dem ursprünglichen Buddhismus, von dem hier die Rede ist,
nichts zu tun. Schon im gegenwärtigen Leben soll das Leid überwunden
und die Erlösung von der Welt erreicht werden. — Es sind bloß die
Naivsten, die von den Religionen des Ostens unklare Begriffe haben,
dunkle Vermutungen, daß unangetastete Überlieferungen aus ältester Zeit
bis heute diese Lehren einheitlich erhalten hätten. Beim genaueren Zusehen
zeigt sich, daß auch diese Systeme späterhin viele Wandlungen
durchgemacht und manche Entartungen erfahren haben. Noch heute
steht nicht fest, welche Veränderungen die buddhistische Lehre seit ihrer
Entstehung im fünften Jahrhundert vor Christo bis auf die drei Jahrhunderte
später erfolgte Abfassung der ältesten bisher bekannten Schriften erfahren
hat, aus denen die Kenntnis des ursprünglichen Buddhismus geschöpft
wird. Der Buddhismus hat, wie die christliche Welt, dogmatische Konzilien
erlebt und kennt u. a. auch die Reliquienverehrung. Mit seinen zahlreichen
Sekten, insbesondere der Entwicklung des tibetanischen Lamaismus hat
er nach der Ansicht fachkundiger Forscher viel Ähnlichkeit mit der Entwicklung
des katholischen Christentums. Die hierarchisch lamaistische
Lehre war ein Ergebnis dieser Lehrentwickelung, die dem Geiste des
ursprünglichen Buddhismus im wesentlichen sogar widerspricht. Wie
sehr die Weisheit des Ostens in ihren Auswüchsen unserer kirchlichorthodoxen
Lehrentwickelung nahe kommt, davon berichtet der bekannte
Gelehrte und Forscher T. W. Rhys Davids in seinem vorzüglichen Werke
„Der Buddhismus. Eine Darstellung von dem Leben und den Lehren
Gautamas, des Buddha0:*) Jeder Tibetaner hat einen Rosenkranz von
108 Kügelchen, damit er Rechnung führen kann über seine guten Worte,
welche bei ihm die Stelle guter Taten vertreten". Und damit begnügt
er sich nicht. Man hat die Gebetsmühlen ersonnen, „jene seltsamen
Maschinerien, welche mit Gebeten, Zauberformeln oder Stellen aus heiligen
Texten angefüllt, in den Städten an jedem offenen Platze stehen; sie sind
neben den Fußpfaden und den Landstraßen aufgestellt, drehn sich in jedem
Flusse und werden sogar mit Hilfe von Segeln, wie bei Windmühlen,
von jedem Lufthauche in Umdrehung versetzt, der über die dreimal

*) Nach der 17. Auflage aus dem Englischen ins Deutsche übertragen von
Dr. Arthur Pfungst. Verlag von Philipp Reclam, Leipzig. — Dieses Werk „eines
der verdienstvollsten Paliforschers unserer Zeit"; nach des Übersetzers Worten
auf Grund ausgedehntester Quellenstudien verfaßt, sodaß es sowohl bestimmt erscheint
, dem Laien die Kenntnis des Buddhismus zu übermitteln, als auch dem
Fachgelehrten die letzten Resultate buddhistischer Forschung zugängig zu machen".


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