Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
1.1907/8
Seite: 198
(PDF, 135 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1907/0201
- 198 —

hinaus kann. Weise ist es, diese Grenze zu erkennen und zu achten.
Es gibt so viele Entwicklungsstufen wie Individualitäten, und jede, die
nach ihrer- innersten Uberzeugung handelt, ist sittlich und hat nicht
bloß die Berechtigung, sondern auch die Pflicht, dieser Überzeugung
zu leben. Da gilt nicht die Frage, ob gut oder böse.

Auf die lebensverneinende Tendenz des Christentums war der
Naturalismus Nitzsches die schärfste, im Grunde aber gerechtfertigste
Reaktion. Auch in der modernen Mystik werden Stimmen laut, die nachdrücklich
darauf hinweisen, daß der Mensch seine Aufgabe nicht in einem
Jenseits, sondern zunächst hier auf Erden zu suchen hat, daß alle
Spekulationen schließlich müßig sind und die theosophischen Verbrüderungsideale
Utopien bleiben, solange sie nicht betätigt werden und
sich der Wirklichkeit anpassen. Wenn die Weisheit des Ostens zum
geistigen Sport, zur Unterhaltungslektüre oder zum weitabgewandten,
transzendentalen Egoismus wird, so ist das zwar recht praktisch und
bequem, aber das ist nicht Theosophie, auch nicht Buddhismus, sondern
Dekadenz.

Gegenüber den Dogmen der Theosophie und der „Erfahrungs"-Lehre
Buddhas wird eine Betonung des naturalistischen Standpunktes zur
dringenden Notwendigkeit. Für die Allgemeinheit repräsentieren alle
Theorien und Geheimlehren doch schließlich einen s?hr relativen Wert.
Wohl erklären sie vieles und zeigen die Zusammenhänge auf. Aber all
diese Lehren können den natürlichen und objektiven Standpunkt nicht
vergessen machen, ja sie weisen die menschliche Erkenntnis auf ihre natürliche
Begrenzung hin . . . Wir glauben ...

Einsehen, daß wir niemals alles wissen werden und die menschliche
Beschränkung anerkennen und bei dem weiten Ziel den Weg nicht zu verlieren
, das ist diesen Lehren gegenüber notwendig.

Die Stellung, die Friedrich Nitzsche dem Christentum gegenüber
eingenommen hat, entspricht der Anschauung, die Maeterlinck zu diesen
Menschheitsproblemen in seinen philosophischen Schriften niedergelegt hat:

^Es ist ein schwerer Irrtum, zu glauben, daß die Schönheit einer
Seele in ihrem Verlangen nach Aufopferung läge; ihre fruchtbare Schönheit
liegt in ihrem Bewußtsein und in der Erhebung und Kraft ihres
Lebens. . . . Erwarten wir die Stunde des Opfers, indem wir an anderen
Dingen arbeiten . . . Die Selbstsucht einer starken und hellsichtigen
Seele ist von viel wohltätigerer Wirkung, als alle Hingebung einer blinden
und schwachen Seele . . . Ehe man für die anderen da ist, hat man
für sich selbst da zu sein; ehe man sieh fortgibt, muß man sich erwerben
. . .u (Weisheit und Schicksal.)

Diese an den Naturalismus Nitzsches anklingenden Gedanken sind
dem Okkultismus nicht fremd.

Die wahre Mystik hat nichts verweichlichendes. Ein starkes Pers n-
lichkeitsbewußtsein entspricht ihrer weiten Weltauffassung, die einen


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1907/0201