Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
1.1907/8
Seite: 287
(PDF, 135 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1907/0290
— 287 —

heute so vergessen konnte! — Diese Schuld nagt an mir wie ein böser
Wurm und ich. weiß gar nicht, wie ich morgen abend dem Grafen vor
die Augen treten soll." Beschämt und traurig ließ er bei diesen Worten
sein Haupt auf die Brust sinken.

„Um Gotteswillen, da müßt Ihr Euch hüten, der Graf darf nichts
merken und ebensowenig der Junker. Daß die Gräfin schweigen wird,
ist wohl selbstverständlich, aber der Kanzler —! Doch sagt mir, gab Euch
nicht die Gräfin gestern oder früher einmal etwas zu trinken?0 —

„Nun ja, gestern bot sie mir einen Becher Wein, sie brachte mir
ihn selbst, da sie merkte, daß mir vom vielen Reden die Lippen eingetrocknet
waren".

„Und Ihr habt davon getrunken?"

„Unbedenklich! — Herr Gott — Ihr glaubt doch nicht —!" Der
Magister richtete sich im Sattel empor und ergriff des Freundes Hand.
„Gewiß — ich glaube, daß Euch dieses Weib mit ihrem Trank behext hat! 4
„Aber der Geschmack des Weines war ja garnicht verändert —?-
„Braucht er auch nicht, mein gelehrter Herr Magister, muß auch
gar kein Aphrodisiaca gewesen sein. Wfißt Ihr nicht, daß man eine Flüssigkeit
besprechen kann, daß jemand sein Begehr und seinen Willen in
das Getränk durch den Blick, den Hauch und die Ausdünstung seiner
Hand übertragen kann? Seht, das Kunststück hat mich in Welschland
ein nettes Mägdlein gelehrt. Wenn Ihr wollt, so will ichs Euch erzählen".
Und ohne eine besondere Antwort abzuwarten, begann er mit seinem
Erlebnis.

Mittlerweile fing im Osten der Morgen zu grauen an. Die Reiter
passierten soeben ein kleinesOorf, das die Spuren eines feindlichen Überfalles
zeigte, der erst kürzlich stattgefunden haben mußte. Hie und da
hatte das Feuer eine Hütte unversehrt gelassen, dafür aber bot sie sonst
das Bild der Verwüstung. Die meisten Hütten jedoch waren abgebrannt
und zeigten sich dem erschrockenen Auge nur mehr als rauchende
Trümmerhaufen. Diese Stätte des Elends war von den Menschen vollkommen
verlassen — was hätten sie auch hier mehr zu suchen gehabt?
Was nicht verbrannt und zusammengefallen war, zeigte leere rauchschwarze
Wände. Das grauenvolle Bild sah im fahlen Dämmerschein doppelt so
traurig aus und wurde durch die beängstigende Stille, die auf dieser
Verwüstung lag, zu einer stummen aber umso eindringlicheren Anklage
zum nächtlichen Himmel wider das nimmersatte Raubtier, das den Stempel
der Gottheit auf der Stirne trägt und nach ihrem Ebenbilde geschaffen
worden ist. Der von den Trümmern aufsteigende Rauch zog sich, von
der feuchten Morgenluft niedergedrückt, gleich riesigen schwarzen Ge-~
spenstern um die Brandstätten herum und das leise Knistern des verkohlten
Holzes glich den Seufzern dieser gespenstigen Schwaden, bei
dessen Anblick der abergläubische Knappe sich bekreuzigte, da er sie
für die Seelen der gemordeten Bewohner hielt.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1907/0290