Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
1.1907/8
Seite: 320
(PDF, 135 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1907/0323
Der Vedänta.

Der Vedänta kennt im ganzen Universum nur ein Seiendes, dem
die Bezeichnung „Seiendes* mit Recht zukommt, nur ein wahrhaft und
im höchsten Sinne Reales: das Brahman, auch ätman genannt.

Über Zeit, Raum und Kausalität als Ding-an-sich hinausliegend, ist
das Brahman frei von jeder Veränderung; neben ihm gibt es kein andres
Reales, es ist das Zweitlose.

Brahman ist die absolute Einheit; was nicht Einheit ist, die Vielheit
ist nicht Brahman, ist demnach nicht real. Wenn wir also in der Welt
eine Vielheit sehen, die in beständiger Veränderung begriffen ist, so ist diese
veränderliche Vielheit nicht Brahman und somit nicht real, nicht wirklich.

Diese höchste Wahrheit ist von einem großen Philosophen Indiens
in folgenden Worten bewundernswert definiert worden: „Brahman, das
Absolute, ist allein wahr. Das immer wechselnde Universum
ist unwirklich, seine Existenz ist nur eine beziehungsweise, und
der Mensch ist seinem wahren Wesen nach Gott — Nichts weite r.u

Der Zweck der Entwickelung ist also für den Menschen die voll e
Verwirklichung seiner wesentlichen Göttlichkeit, die volle Identifikation
seines Wesenskernes mit der einzigen Realität Sobald diese
höchste Vereinigung stattgefunden hat, ist der Mensch endgiltig von den
Fesseln der Kausalität befreit, d. h. in eine Sphäre gelangt, wo er der
Wirkung des sonst unverletzbaren Kausalitätsgesetzes entzogen ist

Im Gegensatz zu Brahman ist die Vielheit ein Sinnentrug; die
Ausbreitung der Welt in mannigfaltige, dem Wechsel unterworfene Gestaltungen
ist eine Täuschung, ein Traum, ein Blendwerk. Es ist die
dem Menschen angeborene avidyä, „das Nichtwissen,0 die ihm eine Vielheit
als wirklich vorspiegelt, wo doch eigentlich nur die Einheit das
Brahman ist, und einen Wechsel, wo tatsächlich nur das der Veränderung
entrückte Brahman sich finden läßt

Nichts von dem, was wir sehen, ist so, wie wir es sehen, nämlich
als Vieles und Veränderliches; die gesamte Erscheinungswelt ist ideal,
phänomenal, d. h. nur Vorstellung, nur ein Phänomen, eine Erscheinung.

Davon macht unser Körper, unsere Leiblichkeit, in der wie in einer
vierfachen Hülle unser Selbst, die Seele steckt, keine Ausnahme, auch
er ist ein Trugbild. Darum sollten wir unter seinen Schmerzen so
wenig leiden, als wie wir die Schmerzen iühlen, mit denen wir andere
behaftet sehen, denn auch der Schmerz ist nur Illusion.

Doch beschränkt sich der Idealismus des Vedänta nicht darauf, nur
die Körperwelt für bloße Erscheinung, der keine Realität zukommt, zu
erklären. Brahman allein ist real, was wir als von ihm unterschieden
auffassen, ist nichtig. Selbst unsere Seele, unser Selbst, der Individuelle
ätman, soweit er eben durch seine Individuation sich von Brahman getrennt
hat. Daher gibt es im höchsten Sinne ebenso wenig eine Vielheit
von Seelen, als es eine solche von Körpern gibt.


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