Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
1.1907/8
Seite: 381
(PDF, 135 MB)
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wandte sich mit seinem kindlichen Vertrauen seinem Wohltäter zu und
hing schließlich mit voller Liebe an ihm. Schon wenige Tage nach
ihrer Rückkehr auf die Burg nannte man den Knaben nurmehr den
„Famulus" des Magisters, denn wo der war, war auch der Knabe, und wo
der Knabe weilte, war sicher auch der Magister nicht fern, der mit
wahren Argusaugen über das Wohlergehen seines Pfleglings wachte. Er
ließ ihn in seiner Behausung wohnen, unterrichtete ihn und konnte sich
ergötzen an der Wiß- und Lernbegierde seines Zöglings, dessen Augen
stets vor Freude erstrahlten, wenn er zu Füßen seines Meisters sitzend,
die Worte der Weisheit und Tugend in sich aufnahm. Oft frug sich der
Magister, woher es wohl käme, daß er zu diesem fremden Kinde so rasch
eine solche Zuneigung fassen konnte, die sich von Tag zu Tag steigerte
und bereits anfing in die zärtlichste väterliche Liebe überzugehen. Aber
er konnte sich dieses Rätse! nicht aufklären und so gab er sich denn
ohne Bedenken dem Zauber hin, den dieses Kind so rasch in sein
Leben gesponnen. Der einsame Mann mit dem warmen Herzen hatte
eine Seele gefunden, auf die er die Fülle seines reichen Gemütes übertragen
konnte, eine Seele, die mit gleicher Liebe, mit gleicher Zärtlichkeit
an ihm hing. Daß Herz des Mannes und das Herz des Kindes, sie
strebten zu einander und sie fanden sich in denselben Wünschen, in
denselben Gedanken.

Nicht daß der Knabe den Verlust seiner Mutter schon so schnell
überwunden gehabt hätte, die schönen Augen füllten sich jedesmal mit
heißen Tränen, wenn er an seine Mutter und ihr schauerliches Ende
dachte, aber nichts war natürlicher, als daß er dann mit seinem zuckenden
Weh sich in die Arme seines Wohltäters flüchtete. Hatte er doch nie
erfahren was Vaterliebe heißt und dieses Gefühl war ihm so neu, so berauschend
schön, daß er darin stets den Balsam fand für seine Herzenswunde.

Er wußte wenig von seinem Vater zu berichten, nur das, was seine
Mutter ihm oft erzählt hatte. Sie wäre eine Witwe gewesen. Er hätte seinen
Vater schon verloren gehabt, ehe er noch zur Welt gekommen war.
Doch nie konnte er seine Mutter bewegen, ihm zu sagen, woran sein
Vater gestorben und was er denn überhaupt gewesen wäre. Später, sagte
sie, wenn er größer und verständiger sein würde, dann sollte er es schon
erfahren. Lieb mußte die Mutter den Vater gehabt haben, denn so oft
sie von ihm sprach, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie hielt streng
darauf, daß der Knabe jeden Abend für seinen Vater betete.

Es war ihnen recht kümmerlich ergangen all die Zeit über, so erzählte
der Knabe. Das kleine Häuschen, eine Kuh, ein Stückchen Feld, und
weil das zu wenig war, so half die Mutter, wo sie nur konnte, um besser
durchzukommen. Manches Säcklem Mehl, manch großes Stück Fleisch
brachte sie heim, auch wohl ab und zu ein paar Ellen Tuch auf ein
neues Wämslein oder ein Kirchenkleid. Und das gab man ihr gern und
willig, denn weit und breit gab es niemanden, der den Bauern ihre


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