Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
1.1907/8
Seite: 416
(PDF, 135 MB)
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Wohlstand waren deshalb auch au! dem Anwesen zu Hause. Weltlichen
Vergnügungen war die Frau vollständig abgeneigt, sie suchte keine Gesellschalt
, aber alle Menschen aus ihrer Umgebung hatten sie gern und
suchten sie auf. Jedermann fühlte sich in ihrer Nähe beruhigt und gestärkt
. Die Lüge war dieser Frau sonderbarerweise vollständig fremd;
sie war treu, offen und wahr bis in das innerste Fäserchen ihres Wesens.
Mit vollen Händen gab sie den Armen, wer ihre Türschwelle übertreten
hatte, war ihr Gast und wurde in reichlicher Weise von ihr mit Speise
und Trank bewirtet Aber je mehr sie verschenkte, desto mehr bekam
sie; alles war stets in Hülle und Fülle vorhanden. Keller, Küche und
Speicher, Kisten und Kasten waren immer voll; aber für ihre eigene
Person verwendete sie äußerst wenig davon. Eine Tasse Kaffee und ein
Stückchen trockenes Brot — damit war sie schon zufrieden. Wenn nur die
andern hatten, an sich selber dachte sie nie. — Doch was diese Frau
Gutes getan hat, steht in keinem Buche geschrieben, kein Denkmal verkündet
es der Nachwelt, niemand hat's gesehen — als Gott allein. —

Schmerz und Freude, Glück und Unglück konnten das tiefste Innere
dieser Frau nicht berühren; immer und überall blieb sie ruhig, stark
und gefaßt Tief, sehr tief konnte diese Frau in die Herzen der Menschen
hineingucken und den Weizen von der Spreu mit voller Sicherheit unterscheiden
. Kein Geld, kein Titel, kein Orden, kein Name, keine schönen
Kleider, kein äußerer Flitterkram konnte sie irreführen; hatte sie vielleicht
etwas von jener geistigen Sehkraft, von der unser unsterblicher Rückert
sagt:

„Mein Sohn, sei überzeugt, es gibt noch Herzenskünder,
Und Gott allein nicht sieht ins Innere jedem Sünder.
Ins Innere sieht auch dir jeder, dem getrübt
Des Geistes Sehkraft selbst nicht ist, noch ungeübt,
Und welchem Blicke du begegnest, mußt du bangen,
Daß er von Gott die Kraft, dich zu durchschaun, empfangen."

Plötzlich nach kurzem Krankenlager stirbt diese Frau. — Und wie
mit einem Zauberschlage ist alles Glück, aller Segen, aller Friede und
aller Wohlstand aus der ganzen Familie verschwunden. — Das ganze
Anwesen, Haus, Hof und Gut fällt schon nach wenigen Jahren in fremde
Hände und die meisten Familienmitglieder werden zersprengt nach
fremden Ländern. Dies ist das äußere Bild einer Frau, die die ersten
Stufen zum echten Rosenkreuzertume betreten hat; und wenn es — lieber
Leser — auf dieser Erde etwas gibt, auf das der Schreiber dieser Zeilen
stolz ist, dann ist es die Tatsache, daß diese Musikantenfrau seine
Mutter war. —

Denn es gibt viele Musikantenfrauen, aber blutwenig solche. —

Ein anderes Bild:

Du kennst gewiß, lieber Leser, den Lebenslauf Kaiser Wilhelms
des Großen. Du weißt, daß mancher Bettler von diesem Kaiser Einfachheit
, Bescheidenheit und Bedürfnislosigkeit lernen könnte. Du weißt


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