Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
1.1907/8
Seite: 461
(PDF, 135 MB)
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Eine Veränderung verdrängt die andere, und nirgendwo findet sich
ein in sich beharrendes Sein. Der absolute Kausalismus beherrscht alle
Zustände und läßt keinen zur Ruhe kommen.

Unter der Bezeichnung sankhära oder ahamma, synonyme Namen
die allen Erscheinungen im Makrokosmus und Mikrokosmus zukommen,
die von Oidenberg mit „Ordnung" und „Gestaltung* übersetzt werden,
versteht der Buddhismus weniger etwas Geordnetes, etwas Gestaltetes,
als ein Sich-Ordnen, Sich-Gestalten.2)

Nichts aber hat sich gestaltet, ist geworden und in der Zeit am
Faden des Kausalitätsgesetzes entstanden, das nicht auch eben darum
vergehen muß. Jede Geburt ist das Siegel des Todes. Geworden und
unbeständig, entstanden und vergänglich sind durchaus gleichbedeutende
Begriffe.

So löst der Buddhismus jedes scheinbare Sein in eine wirkliche
Folge von Entstehen und Vergehen auf ; nur in diesem ununterbrochenen
Werde- und Vergehe-Prozeß haben alle dhamma oder sankhära ihre
Existenz. Es gibt keine Dauer, es gibt nur Wechsel. —

So steht der Buddhismus zum Brahmanismus in demselben Verhältnis
wie Heraklit zu den Eleaten. Die ganze sinnfällige Welt ist nur
Schein; die Vielheit existiert nicht; es existiert keine Bewegung, Realität
kommt nur dem hinter der Erscheinungswelt ruhenden Sein-an-sich zu;
„das Beste kann nur Eines sein" — so lehren die Eleaten und die
vedäntischen Philosophen.

Dem gegenüber halten Heraklit und Buddha, der so ziemlich sein
Zeitgenosse war, daran fest, daß das Einzig-Seiende der Wandel ist;
nach ihnen hat die Bewegung allein Realität; „alles fließt". Aber der
Buddhismus scheint noch weiter gegangen zu sein als Heraklit. Während
dieser, wenn auch vielleicht nur symbolisch, ein Substrat annimmt, an
dem der Wandel vor sich geht, das Feuer, so spricht der ältere Buddhismus
von einem solchen Substrat nirgends. Er kennt nur Bewegung,
nur Wechsel, erwähnt aber nicht die Substanz, an der sich dieser
Wechsel vollzieht.

Für den ältesten Buddhismus gibt es kein Sein, es gibt nur
ein Werden. Der naive Mensch mag, durch die scheinbare Dauer der
sankhära getäuscht, eine Beständigkeit und darum Wirklichkeit der Außenwelt
annehmen; der Weise hingegen erkennt, daß ein faktisches Sein,
eine in sich geschlossene Substanz nicht vorhanden ist. Vielmehr ist
alles ein Komplex von ineinandergeschlungenen Werde- und Vergehungs-
prozessen.

Für den Vedänta hat nur die individuelle Seele kein wahres Sein;
für den älteren Buddhismus ist überhaupt das Subjekt das ich, die

») Oidenberg: Buddha, 2. Aufl. Berlin bei W. Herz, 1890, p. 272. Anm. 2.
s) Oidenberg, a. a. O. 264.


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