Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
1.1907/8
Seite: 538
(PDF, 135 MB)
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Augenblick des Blühens, denn morgen schon liegt alle Pracht am Boden,
und wo sind die Milliarden grüner Blätter im Winter? Unnützer Aufwand
, leeres Schauspiel, das sich alle Jahre wiederholt! Was bedeutet
die Jugend? Wozu einen Tag jubeln in Kraft und Schönheit, wenn man
am nächsten grau, alt und kalt am Stabe hinken muß! Was ist die
Liebe? Das Gefühl der ewigen Dauer unauslöschlicher Seligkeit durch
ein Geschöpf, was uns bald darauf gleichgiltig, wenn nicht verhaßt wird.

Das sind die Grundlagen des Pessimismus, Tatsachen, nicht leicht
zu widerlegen. Nur flache Geister und Philister können, wie Schopenhauer
sagt, „der ruchlosen Denkungsart des Optimismus" huldigen,
wenn sie beim Bierseidel sitzend die Welt so wunderschön finden im
Gedanken an ihren Gehalt oder ihre Rente, die ihnen eine recht anständige
Lebensweise ermöglicht. Den tieferen Problemen aber gehen
sie nach Art des Vogel Strauß aus dem Wege.

Die äußere Welt, die Welt des Scheins, ist nicht zu retten, und
damit muß auch der Gottesbegriff von einst fallen. Hat denn Gott keine
Hand, daß er die Verschütteten von Courrieres nicht hervorzog, sondern
sie langsam verschmachten ließ mit raffinierter Grausamkeit.

„Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag und ist
so wunderlich, als wie am ersten Tag." Er kümmert sich nicht um
den Einzelnen, er ist taub und stumm gegen Gebete — wie Baal. Noch
heute muß jeder Denkende mit Prometheus rufen: „Ich dich ehren?
Wofür? Hast du die Schmerzen gelindert je des Beladenen? Hast du
die Tränen gestillet je des Geängstigsten?" und mit Hebbel den Jünglingen
raten: „Betet dann, doch betet nur zu Euch selbst! Kein
Wunder geschieht, die Himmel bleiben geschlossen — ohne Gnade." —
Doch wer kann leben bei dieser Weltanschauung, sie ist die des Todes?!

Es gilt einen Sprung zu tun ähnlich demjenigen, den jener Prophet
des alten Testamentes tat, Arnos. Mit seinem eigenen Untergang glaubte
das Volk Israel die Machtlosigkeit und das Unterliegen seines Gottes
bewiesen, da stand Arnos auf und erweiterte den Begriff des Stammgottes
zu dem des Herrn Zebaoth, der über alle Völker herrscht und
der Israel verderben kann, wenn es ihm gefällt, ohne daß seine Herrlichkeit
dadurch verdunkelt werde.

Wir müssen heute noch einen Schritt weitergehen als Arnos, wir
müssen Gott zum All, zur Unendlichkeit erweitern, zu einer Höhe und
Größe, die freilich unser Verstand nicht fassen kann. Wir sehen seine
Welten zahllos wie Sand am Meere, und wenn eine zerstiebt, was tuts?
Sterben ist nichts! Trauerst du, wenn du ein Gewand ablegst und mit
einem anderen vertauscht? Nur Toren könnten es. Das Leben wallt
auf und ab, jeden Augenblick ein anderes, sodaß der tiefer Denkende
erstaunen muß, wie es überhaupt zu festen Formationen kommen kann
und sie in jedem Geschöpf bewundert — Die Frühlingsbirke vor meinem
Fenster reißt mich zu endloser Betrachtung und Bewunderung hin.


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