Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 41
(PDF, 140 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1908/0048
- 4t -

Mir wars, als gewönne er plötzlich feste Formen, und ehe ich
es mir versah, stand Hertha, meine vor Jahresfrist verstorbene Verlobte,
vor mir.

Ich hatte nie an Geister geglaubt, in letzter Zeit sogar nicht mehr
an den lieben Gott; das beschämte mich jetzt, der ich sonst strenggläubig
gewesen war.

Ich wollte Hertha entgegenjauchzen und sie umarmen, doch ich
war wie gelähmt; ich vermochte weder zu sprechen noch mich zu bewegen
. Der Schreck, der mich betroffen hatte, war auch zu groß.

Ich hatte nie geglaubt, Hertha wiederzusehen und nun stand sie
plötzlich genau so vor mir, wie damals, als sie in dem Sarge lag und
man den Deckel über ihr schloß.

Ich sah dieselben bleichen Wangen, dasselbe Sterbegewand, nur
die erloschenen Augen waren geöffnet. Ich weiß bestimmt, daß sie
damals geschlossen waren; ich hatte sie ihr doch zugedrückt.

Ich konnte mir noch immer nicht denken, daß es meine Hertha
war, die vor mir stand, die doch ein Wesen von Fleisch und Blut war;
ich glaubte es mit einem Trugbild meiner erregten Phantasie zu tun
zu haben.

Und nun begann der Geist, der helles Lrcht um sich verbreitete,
zu reden. Ich hörte Herthas Stimme, doch der Tonfall hatte etwas
Glockenähnliches und doch Engelreines.

Hohl und tief vernahm ich die rhytmisch abgeteilten Worte:

„Lieber, warum lässest du mir nicht meine Ruhe, warum denkst
Du immer an mich?"

Ich wollte mich Hertha nähern, wollte etwas erwidern, doch ich
stand noch immer da wie gelähmt und konnte keinen Schritt vor- oder
rückwärts tun.

Ich wollte rufen: „Hertha, wo weiltest du, seit du mich verließest?
— Bist du denn nicht gestorben? — Wo treffe ich dich?" — —
Doch meine Zunge versagte den Dienst.

Aber statt dessen sprach Hertha, als ob sie meine Frage, die ich
hatte stellen wollen, erraten hätte.

„Sei heute Abend acht Uhr auf dem Eise, genau an der Stelle, wo
ich vor einem Jahre und drei Tagen einbrachl"

Dann war sie verschwunden und wieder umfing mich Dunkelheit.

Ich weiß nicht, was ich nun getan.

Als ich endlich wieder zu mir kam, war es einige Minuten vor
6 Uhr. Hatte ich geträumt? — Hatte ich nur ein Phantom gesehen
oder war es ein Geist gewesen, der mit mir gesprochen hatte, — war
es Herthas Geist?

Ja, etwas Überirdisches mußte bei mir gewesen sein, denn es zog
ein Modergeruch durch mein Zimmer. Ich mußte die Tür öffnen, um
nicht in der schwülen, beklemmenden Luft zu ersticken.

Dann brachte meine Wirtin Licht. Der guten Alten wäre die Lampe
entglitten, wenn ich ihr nicht zugesprungen wäre, so sehr erschrak sie,
als sie mich erbückte.

„Bei Gott, Herr Bröcker, ist Ihne» etwas passiert?! — Sie sehen
ja bleich aus wie der Tod. Denken Sie doch nicht zuviel an ihr
Fräulein Braut, Herr Bröcker, das ist ihnen beiden nicht gut. „Die
Zeit schlägt Wunden und wird sie auch wieder heilen", sagte unser
Herr Pastor immer, und der muß es doch wissen."

Sie ging, und ich versank wieder in meine Gefühlslosigkeit.


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