Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 44
(PDF, 140 MB)
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Ländern. Da die Kommission nicht rasch genug vorwärts kam, ließ der Erzbischof
von Sens mit seinem Provinzialkonzil 54 Templer, die ihre Aussagen widerrufen
hatten, am 12. Mai 1310 als rückfällige Ketzer verbrennen. Im ganzen sind in den
gegen die Templer geführten Prozessen damals 15000 Glieder dieses Ordens umgebracht
worden (nach Ferretus von Vicenza), wobei allerdings nicht bloß kriegswichtige
Männer, Ritter und Servienten, sondern auch die in die letzere Klasse aufgenommenen
Verwaltungselemente, Pächter und Handwerker, gezählt sein werden.
Klemens V., gedrängt und bedroht vom Franzosenkönig, sprach dann am 22. März
1312 in einem geheimen Konsistorium die Aufhebung des Ordens aus und verkündigte
sie am 3. April auf dem Konzil zu Vienne und durch Bulle vom 2. Mai 1312.
Damit war eine der mächtigsten und glaubenseifrigsten kirchlichen Organisationen
des Mittetalters vernichtet, ein Ereignis, das nur etwa mit der Aufhebung des
Jesuitenordens (1773) verglichen werden kann.

Döllinger sieht die Bedeutung dieses Ereignisses vor allem in folgenden drei
Umständen:

Erstens hatten die Templer bekanntlich die Insel Cyprus zu ihrem Hauptsitze
gemacht: dort war ihre beste Wehrkraft, dort befanden sich die meisten
Ordensglieder, während sie im Westen, in Frankreich, Deutschland usw., eigentlich
doch immer nur als Hospitierende sich aufhielten. Auf Cyprus würden die Templer,
wenn sie nicht vernichtet worden wären, das geworden sein, was die Johanniter
eben damals auf Rhodus wurden: ein Bollwerk der Christenheit gegen den Islam;
ihre Vernichtung kam der bald darnach vordringenden türkischen Herrschaft sehr
zustatten.

Die zweite Folge des Templerprozesses ist, daß damals jene Härte und widersinnige
Grausamkeit der französischen Kriminaljustiz, wie sie im wesentlichen bis
zur französischen Revolution fortbestand, teils begründet, teils befestigt wurde.

Die dritte Folge war, daß der dämonische Sabbatt, die Vorstellung eines
persönlichen Umganges mit dem Teufel, kurz der Hexenwahn, von nun an förmlich
durch die höchste kirchliche und staatliche Autorität bestätigt und unantastbar
geworden war. Wie der hochbedeutende Geschichtsschreiber Henry Ch. Lea in
seinem großen Werke über „Die Inquisition im Mittelalter" ausführt: „Das Reiten
durch die Luft auf einem Besenstiel, der Umgang mit dem Incubi und Succubi beruht
auf Zeugenaussagen genau von der gleichen Art wie diejenigen, auf welche
hin die Templer verurteilt wurden, aber nur noch weit gewichtigeren, denn die
Hexe wurde unfehlbar verbrannt, wenn sie gestand, hatte aber Aussicht davonzukommen
, wenn sie die Tortur aushielt, während dem Templer für sein hartnäckiges
Leugnen der Tod drohte, für sein Geständnis aber Straflosigkeit versprochen wurde.
Lassen wir die Zeugenaussagen gegen die Templer gelten, so dürfen wir sie in
Bezug auf die Hexe nicht ablehnen."

Nicht mit Unrecht nennt der verdienstvolle Darsteller des Templerprozesses,
Julius Gmeiin, diesen „das in seiner Art ungeheuerste und schmachvollste Unrecht,
wovon die Blätter der mittelalterlichen Kirche zeugen." Für den, der die Geschichte
der Vergangenheit darauf ansieht, was für die Gegenwart daraus zu lernen ist,
handelt es sich gerade bei diesem Problem um mehr als um die endliche Erledigung
eines interessanten Problems aus der Vergangenheit. Sonst hätten nicht seit Jahrhunderten
gerade die bedeutendsten Männer, ein Napoleon I. so gut wie ein Kaiser
Friedrich III., ein Lessing so gut wie ein Ranke und Döllinger, sich mit diesem
Prozesse so angelegentlich beschäftigt.

In wie vielen Schlachten gegen die Moslim flatterten die weißen Mäntel mit
dem roten Kreuz! Wir nennen die Schlacht bei Paneas 1156, wo 300 Tempelritter
fallen, 87 mit dem Großmeister und Ordensmarschall gefangen werden; die Schlacht
bei Hittin, wo 60 fallen, 230 nach der Schlacht gefangen werden, die Saladin, auf
ihre Weigerung, überzutreten, hinrichten läßt. Dann im 13. Jahrhundert die Schlacht
bei Gaza gegen die Khovaresmier (1244), wo 312 Ritter und 380 Servienten umkommen
; die Verteidigung von Accon 1291, wo von 500 Templern nur 10 mit dem
Großmeister Gandin entkommen.

Und wie ist man dann gegen diese heldenmütigen Vorkämpfer des mittelalterlichen
Christentums vorgegangen! Döllinger sagt: „Die Schilderungen, nicht nur
der Templer selbst, sondern auch anderer Zeitgenossen, wie man gegen den Orden
verfuhr, sind Entsetzen erregend. In Paris allein sind 36 Templer unter der Tortur
gestorben. Neu ausgesonnene Kunstgriffe furchtbarer Qualen kamen zur Anwendung;
sie waren mitunter geradezu schamlos, und wer die heutigen französischen Forscher
kennt, weiß, daß sie ein Schamgefühl über solche, die Menschenwürde schändende
Infamie ihrer Vorfahren nicht verbergen."

Und warum? Trotz des eifrigen Plaidoyers von Hans Prutz, der in mehreren
Werken sich für die Tatsächlichkeit der schweren Beschuldigungen gegen den


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