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ihres Gebieters harrten, um im entscheidenden Augenblick ihren Beobachtungsturm
zu besteigen und — vielleicht zu entdecken, daß der
Himmel mit dichten Wolken verzogen war.
Es ist daher nicht zu verwundern, daß die alten astrologischen
Theoretiker sowohl wie Praktiker auf Mittel und Wege sannen, wie auf
Grund einer beiläufigen, nur annäherungsweise angegebenen Geburtszeit
der genaue Moment der Geburt, — das „genaue Ascendens" — bestimmt
werden könnte. Was sie nun in dieser Hinsicht ersonnen haben, — die
wichtigsten Methoden der Berichtigung der Geburtszeit (correctio temporis
seil, nativitatis) — soll im folgenden erörtert werden.
Daß nämlich die Frage nach der Möglichkeit einer solchen Berichtigung
auch gegenwärtig noch praktisch ist, ergibt sich aus der Erwägung
, daß die oben erwähnten Schwierigkeiten, die sich schon vor
Zeiten einer genauen Erkenntnis des richtigen Geburtsmomentes entgegenstellten
, heute in kaum vermindertem Grade fortbestehen. Mag
nämlich die zweite von ihnen, dank der verhältnismäßig großen Präzision
der jetzigen Zeitmeßinstrumente und ihrer größeren Verbreitung zum
Teile behoben sein, — denn rücksichtlich der richtigen Stellung der
Uhren bleibt es bei der alten Kalamität, — so äußert dagegen die erste
ihre Wirkungen womöglich noch nachdrücklicher als früher. Denn während
man in der Blütezeit der Astrologie auch in weiteren Kreisen der Kenntnis
der Geburtszeit Gewicht beizumessen gewohnt war, kümmerte sich
im Laufe der letzten Jahrhunderte bis in die allerneueste Zeit hinein fast
niemand um dergleichen, sodaß ich mir zu behaupten getraue, nur ein
ganz geringer Prozentsatz von unseren Zeitgenossen kennt die Zeit
seiner Geburt auf eine halbe Stunde genau. Die Frage der Korrektion
derselben dürfte daher mit dem beginnenden Wiederaufleben der Astrologie
recht aktuell werden.
Daß ich aber außer der ersten der folgenden vier Methoden auch
die drei übrigen anführe, die vielleicht jemand für überflüssig oder veraltet
halten möchte, hat seinen Grund fürs erste darin, daß jene, wie wir
sehen werden, nicht in allen Fällen anwendbar ist, sodaß die 3 anderen
schon darum immerhin einige Aufmerksamkeit verdienen. Zweitens aber
scheint es mir, daß sie auch, abgesehen von ihrer etwaigen praktischen
Verwendbarkeit, schon an und für sich interessant genug sind, zum
mindesten aber ein historisches Interesse besitzen müssen für einen
jeden Jünger einer Disziplin, die in so hohem Maße auf Traditionen gegründet
ist und der Natur der Sache nach gegründet sein muß, wie die
Astrologie.
In den nachstehenden Darlegungen habe ich es bei den Beispielen
der Kürze halber vermieden, die einzelnen gewöhnlichen Berechnungen
ausführlich wiederzugeben, und zog vor, nur den Gang der Rechnung
anzudeuten und die sukzessiven Ergebnisse anzuführen. Die Vertrautheit
mit den in der Astrologie stets wiederkehrenden Einzeloperationen (Zeitumwandlung
, Oerter- und Häuserberechnung, Berechnung der, Direktionen
usw.) wird daher hier schon vorausgesetzt. *) Dafür gebe ich aber auch
*) Nur belangend die Berechnung der einer gegebenen Lage des Ascendenten
entsprechenden Sternzeit will ich bemerken, daß diese einfach erhalten wird, wenn
man die örtliche schiefe Aufsteigung dieses Ascendenten um 90° vermindert,
und den Rest in Zeit verwandelt. — Was die Methode der Berechnung der
Direktionen betrifft, so wurde in den Beispielen die Proportinalmethode der Tag-
und Nachtbogen angewendet, weil in dem Artikel von H. Brandler-Pracht diese
dargelegt wurde (Zentralblatt f. Okkultismus, Jahrg. I, Heft 1—7).
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