Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 75
(PDF, 140 MB)
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heitsliebe die eine Kathete unseres geistigen Wesens ist, dann wird
Gerechtigkeitssinn die andere, und die Verbindungslinie beider Katheten
oder die Hypotenuse wird dann ganz von selber zur Macht. Nur
wer imstande ist, sein geistiges Wesen mit den ewigen Prinzipien der
Liebe und der Gerechtigkeit in Einklang zu bringen, der hat damit
den geraden, mathematisch unbedingt sicheren Weg zu den höchsten
und heiligsten Gütern betreten; dem wird es auch vollständig klar und
verständlich werden, daß Jesus reinste und höchste Mathematik gelehrt
hat, wenn er sagt: „Liebet die Wahrheit (Gott) über alles." „Trachtet
zuerst nach dem Himmelreich und nach seiner Gerechtigkeit, dann fällt
euch alles andere von selbst (gratis) zu.0 Die Religionsstifter konnten
die „Sünden der ganzen Welt" auf sich laden, weil ihr geistiges Wesen
im rechten Winkel stand, und auch heute noch ist jeder von ihnen tatsächlich
ein Herkules, der den Erdball auf seinen Schultern trägt.--

Auch die Geschichte der einzelnen Völker überliefert uns Beispiele, wo
ganze Revolutionen sich an dem Gerechtigkeitssinn einzelner Männer
gebrochen haben. Aus der Geschichte der alten Griechen z. B. sei hier
nur an den großen Gesetzgeber Solon erinnert. Eine Revolution drohte
damals und das Feldgeschrei der Volkspartei war: Neuaufteilung von
Grund und Boden. Um dem vorzubeugen, entschlossen sich die Einsichtigeren
unter den Eupatriden (Adligen) schließlich, dem Solon das
Archontat für 594 zu übertragen mit unbegrenzter Vollmacht, eine Reform
durchzuführen. Mit welch unbeugsamem Gerechtigkeitssinne Solon, trotzdem
er von adliger Herkunft war, damals seine Reform durchführte, das
geht am besten aus einem seiner Gedichte hervor. Er sagt:

„Es wird für mich am kräftigsten vor Dikes *) Thron
Die Mutter Erde zeugen, der olympischen
Göttinnen größte, die ich von den Hunderten
Von Pfählen, der Verpfändung Zeichen, einst erlöst,
Sodaß die frühere Sklavin jetzt in Freiheit ist.
Auch führt ich viele nach der gotterbauten Stadt
Athen zurück, die, teils mit Recht, teils wider Recht
Verkauft gewesen; manche auch, die notgedrängt
In Rätsellauten sprachen und ihr Attisch schon
Auf ihren vielen Wanderzügen eingebüßt.
Dann gab ich vielen, die ein schmählich Sklavenjoch
Hier beugte, daß sie zitterten vor ihren Herrn,
Die Freiheit wieder. Solches tat und setzt ich durch
Mit Kraft, und mit der Strenge die Gerechtigkeit
Zugleich verbindend, meinem Manneswort gemäß.
Für Hoch und Niedrig stellt ich gleiche Satzung auf
Und schrieb ein schlichtes, jedem angepaßtes Recht."

Wahrheit und Gerechtigkeit müssen zu Säulen werden, auf denen
alle Werke von Bestand und Festigkeit ruhen; denn wer auf Schleichwegen
zu hohen und heiligen Gütern zu gelangen hofft, wird früher
oder später erkennen müssen, daß all seine Anstrengungen umsonst
waren, daß er Wasser in ein bodenloses Faß geschöpft und daß er umsonst
gelebt hat.

Jede menschliche Vereinigung, sei es ein Staatswesen, sei es eine
gesellschaftliche oder geschäftliche Vereinigung, die bei ihrem Aufbau
den rechten Winkel, d. h. also das Prinzip der Gerechtigkeit außer acht
läßt, muß windschief werden und wird schon beim ersten Sturme eben
so raseh, wie sie entstanden ist, wieder zusammenbrechen. Es ist eine

*) Dike ist die Göttin der Gerechtigkeit.


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