Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 118
(PDF, 140 MB)
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Gedankenkreise des Pherekydes von Syros verdeutlichen lassen, und daß
dieser wirklich der Lehrer des Pythagoras war. So führte die Studie
„Pythagoras und Heraklit" zur altjonischen Mystik selbst.**)

Unter altjoniscber Hlystik ist die Gesamtheit jener, wie es scheint, von
der jonischen Küste und den jonischen Inseln ausgegangenen eigenartigen
Kulturbewegung zu verstehen, die in allen ihren Stadien den Stempel orientalisd)er
und vor allem babylonischer Beeinflussung an sich trägt.

Hier macht sich nun der Gegensatz zwischen der klaren, nüchternen,
dem Ausbaue der Wissenschaft auf Grund von Anschauung, Erfahrung
und Sinnlichkeit zielbewußt zustrebenden jonischen Naturphilosophie, wie
z. B. eines Thaies, und der tiefsinnigen, mystischen Richtung jener Kosmologen
und Theologen, wie Pythagoras und Heraklit, offenbar, welche
Symbole von der Art der ephesia grammata oder Systeme von der Art
der messianischen Verheißungen, die in den Pythagoraslegenden anklingen
, in den Gedankenkreis ihres Volkes aus dem Orient übernommen
haben. Dr. VVolfgang Schultz beweist nun auf Grund seiner Forschungen,
daß der zwischen der joniscben Hlystik bestehende Gegensatz aus einer gemeinsamen
Urquelle bei beiden Grscbeinungsreiben verstanden werden kann. Er faßt deshalb im
letzten Teil seines Werkes die spezifisch mystische, auf die Gliederung des UJelten-
baues bezügliche Cehre selbst ins Jluge, ihre Darstellung, ihre Ableitung aus
den ältesten Quellen und ihre Rekonstruktion an dem Leitfaden junger
Ueberlieferungen, in denen sich Stücke des Alten zu erhalten pflegen.
Hier drängt sich ihm das Geständnis von den Lippen, dass die Ueberlieferung,
in der ein Symbol vorkommt, je mehr man sich mit Symbolen beschäftigt, desto bedeutungsvoller
wird.

Ueberhaupt tritt bei diesen Untersuchungen ein Phänomen vor Augen,
das auch eine der wichtigsten Grundlagen der okkulten Forschung bildet: DieCradition
selbst bleibt ihrem eigentlichen WJesen nach unverändert. Es zeigt sich ein höchst
merkwürdiger „consensus mysticus", das heißt eine tief gebende Ueberein-
stimmung der Hlystiker aller Zeiten, und so ergibt sich die frage nach einer
Urtradition, der die moderne Forschung nicht mehr ausweichen kann, und
nach Sinn wie Möglichkeit der historischen Beeinflussung und der Abhängigkeit
einer Kultur von einer anderen.

Es läßt sich beobachten, daß die Systeme der einzelnen Denker,
je weiter wir zurückgreifen, desto mehr einer einzigen großen Einheit
zustreben, einer Einheit, welche nicht auf den Besitz besonderer
Methoden, sondern auf die Ursprünglicbkeit des altertümlichen Denkens zurückzuführen
ist. Denn Philosophie berührt sich in ihren Anfängen nicht bloß,
wie später, mit Kunst, Poesie und Religion, sondern sie fällt mit ihnen
geradezu zusammen, sie bildet eine mystische Urtradition, die in geheimen
Brüderschaften mündlich fortgepflanzt wurde, denen sicherlich auch Pythagoras
begegnete, da an den Legenden von seinen Reisen etwas Wahres sein
muß, und in deren geheime Lehren er eingeweiht worden ist. Daß er
dann selbst einen solchen geheimen Bund gründete, beweist nur den
Zusammenhang der Lehrart durch Schultradition mit der altertümlichen
Einheit von Religion, Kult und Philosophie, welcher die ältesten Systeme
zustreben.

Auch durch die Form des Lehrgedichtes hängen Philosophen, wie
Parmenides und Empedokles, schon rein äußerlich nicht nur mit den
Dichtungen des Homer, sondern auch mit denen des Hesiod zusammen.

**) „Altjonische Mystik" von Dr. Wolfgang Schultz (Akademischer Verlag,
Wien und Leipzig, 1907).


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