Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 122
(PDF, 140 MB)
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Man muß aber beachten, daß nach antiken Begriffen der Mystik
noch etwas Zweites, nicht minder Sonderbares zur Seite stand. So wie
sich nach unseren Begriffen Wissenschaft und Technik, Einsicht und
Macht zu einander verhalten, so sollte auch die Mantik in nichts anderem
beruhen als in der Betätigung und Verwertung jener Einsichten, welche
der Weise in der Mystik gefunden hatte.

Ein grundlegender Zug der Mystik, welcher jedem, der auch nur
weniges von ihr gehört und erfaßt hat, geläufig ist, wird verdeutlichen,
daß in ihr tatsächlich eine Einheit philosophischer Weltauffassung enthalten
ist. 6$ fällt ausserordentlich auf, dass die Tfiysfiker, je mebr sie sieb in die
Abgründe ihrer Bedanken versenken, immer mebr miteinander übereinstimmen. Die
merkwürdige Erscheinung, welche sich zwischen den Philosophen einzustellen
pflegt, nämlich die absolute Unverträglichkeit und Parteilichkeit
des einen gegen den andern, hat schon wiederholt den Gegnern philosophischer
Betrachtungen erwünschte Gelegenheit zum Spotte geboten
. Aber vor der kleinen Anzahl der oft über Jahrtausende verstreuten
und durch Länder und Meere von einander getrennten Mystiker
muß ein solcher Spott verstummen.

Wo sie von einander abweichen, tun sie es um des Ausdruckes
willen, den gerade ein jeder, wie es ihm am besten scheint, verwendet;
denn jeder von ihnen wählt ein anderes Symbol je nach seinem Können
und nach der Tiefe seiner Einsicht. Aber keiner von ihnen streitet wider
die Ansicht der Anderen, sondern jeder sucht sie zu verstehen.

Und was sie schließlich sagen, stimmt in sich für sie überein und
ist dem nächsten ihrer Art ein aufmunternder Zuruf, welcher durch Jahrhunderte
nicht verhallt, wenn ihn auch nur wenige vernehmen. Nicht
in der Kritik und dem Gezänke über halb Gesagtes und halb Verstandenes
schwelgen sie, sondern ein merkwürdiger „consensus sapientium" verbindet
sie untereinander. Selbst die Wissenschaft mit ihren so absolut
verläßlichen Methoden und mit ihrer Ueberzeugungskraft für jeden ist
nicht mit der gleichen Ewigkeit ihrer Grundanschauungen beglückt.

Das Phänomen, von dem wir reden, ist so merkwürdig und die
Uebereinstimmung unter den Mystikern so beneidenswert, daß sogar die
Philosophen nach dieser Erscheinung mit Staunen und Ehrfurcht geblickt
, und wo immer es ging, ein Stück von ihr für sich selbst in Anspruch
genommen haben. Sie haben stets mit Vorliebe den einen oder
den anderen Philosophen früherer Zeit sich auserwählt und bei ihm die
Bestätigung ihrer eigenen Lehren gesucht, und sie haben dabei fast
stets gerade immer jene Punkte gefunden, in welchen sie und ihre Vorgänger
sich mit den Mystikern in unmittelbarer oder mittelbarer Uebereinstimmung
befanden. So legten sie, ihnen selbst unvermerkt, Zeugnis
ab für die ursprüngliche, in der Mystik gelegene Einheit, von welcher
sie durch den Verlauf der Geschichte ihrer Wissenschaften und Systeme
immer mehr abgelenkt wurden.

Freilich werden Philosophie und Wissenschaft behaupten, daß gerade
sie vor allem nach Einheit streben. Aber wenn sie damit auch die
Wahrheit sagen, so bemerken sie doch nicht, daß die Einheit, welche
sie suchen, ganz anderer Art ist als jene, welche die Mystiker
finden.

Schon die Darstellungsweise der alten griechischen Philosophen
bedient sich zahlreicher Kunstausdrücke. Je weiter wir jedoch im Alter-
tume selbst die Kunstausdrücke zurückverfolgen, desto mehr gewinnen


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