Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 158
(PDF, 140 MB)
Bibliographische Information
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158 —

Indessen realisiert der einfältigste und ungebildeste Mensch im
Traume in und mit der Einbildungskraft (nehmen wir immerhin an, es
sei stets und ausschließlich so) eine Welt, die das Umgekehrte von der
unseren ist, eine Welt ohne Schwerkraft, ohne Undurchdringlichkeit, ohne
Zeit- und Raumbedingung, eine schattenhafte Welt, einem Schattenvolke
angepaßt — tenues sine corpore vitae, wie Virgil die umherschweifenden
Seelen der Verstorbenen nennt. Wie erklären wir dieses Unvermögen
im Wachzustande und Vermögen der Einbildungskraft im Schlafe, wenn
nicht mit der logisch berechtigten Hypothese einer unterbewußten ani-
mischen Fähigkeit, welche dem transzendentalen Subjekt innewohnt, dem
Geiste, der das Bewußtsein seiner selbst besitzt und sich des gleichartigen
Außersichs (Fuori se consimile) d. h. seines geistigen Beziehungslebens
erinnert.

Dichter, Schauspieler, Zuschauer, Schaubühne für Traummärchen,
was immer es sei: es spiegeln diese Märchen, wenn auch in nebelhafter
Umhüllung, Bedingungen und Zustände einer anderen Welt wieder, die
der wache Mensch nicht kennt und sich deshalb auch nicht vorstellen
kann, weil das Gehirn in seinen Zellen nicht Dinge registrieren, folglich
auch nicht reproduzieren kann, die in unserer Welt nicht vorkommen,
denn „nemo dat quod non habet". Das für die irdische, empirische Person
Absurde und Undenkbare ist für das innere Ich real und normal. Es
ist, als würden uns im Dämmerlicht des Traumes — den man eine
Vorhalle des Jenseits nennen möchte — Proben geliefert von den Daseinsbedingungen
nach dem Tode. Ist das Gefühl des Freiseins vom
Gesetze der astro-physischen Schwere, dem alle Planetarwesen unterworfen
sind, das Freisein vom Bedürfnis (und folglich auch des Unvermögens
), Zeit und Raum zu messen, wie solches im Traume erlebt wird,
nicht die sichere und deutliche Offenbarung, ich möchte sagen der
apodiktische Nachweis in uns bestehender autonomer metaphysischer
Fähigkeiten, die mit dem Sinnenleben nichts zu tun haben und einem
transzendentalen Subjekt angehören?

In der Tat bezeichnen die Eingeweihten Indiens den Schlaf als den
Weg, auf dem sie in eine andere, höhere Lebensregion und zu einer
höheren Bewußtseinsform gelangen. Und die Pythagoräer lehrten, daß
während des Schlafes sich die Seele vom Körper löse und eines Vorgeschmackes
von der Freiheit des Geistes genösse, woraus sich die
Vorschau, die Warnungen und andere derartige, im Zustande des wachen
Sinnenlebens fast oder auch gänzlich unmögliche Manifestationen erklären
ließen. Diese Ansicht von der Halbbefreiung der Seele während
des Schlafes haben in der neueren Zeit Schelling und Fichte wieder
aufgenommen.

Alle Einwendungen, die man auf Grund der Widersprüche zwischen
analylitischen und kritischen Daten erheben könnte, müssen vor der
Unmöglichkeit einer anderen rationellen Erklärungshypothese weichen,
denn adducere inconveniens non est solvere argumentum. Zudem sind
diese Widersprüche wohl mehr scheinbar, da es sich um Ergebnisse aus
verschiedenen Quellen handelt, angesichts der doppelten Natur des
Menschen als irdischer Persönlichkeit und seelischer Individualität.

Solange behufs Erklärung jener eigengearteten Traumerlebnisse
nichts besseres beigebracht wird als die gewöhnliche Halluzinationstheorie,
bin ich geneigt, das Phänomen des Schwebens verbunden mit dem Vermögen
, die Bewegung durch eine „vis ab intus" zu lenken, einer animischen
Ursache zuzuschreiben oder in demselben Gedächtnisbilder aus einem


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