Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 221
(PDF, 140 MB)
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auf welcher Aikmaion fußte, als wissenschaftliche Methode samt ihren
Ergebnissen seinem Systeme einzuverleiben vermochte, zeigt er, daß er
den Widerstreit zwischen beiden noch nicht kennt, und zwar ebensowenig
wie Pythagoras oder Heraklit.

Was ist nun der mystische Kern des parmenideischen Systems
und worin besteht sein Zusammenhang mit der großen, mystischen
Tradition?

Ausdrücklich sagt Parmenides in der Einleitung zu seinem Lehrgedicht
: „Der Weg der Göttin, welcher allein überall hinführt den wissenden
Mann", erklärt also damit, daß seine Worte allegorisch zu nehmen
seien. Er fährt dann fort: „Nun trugen mich die wohlunterrichteten
Rosse, die den Wagen zogen, und Mädchen wiesen den Weg."

Noch die Neuplatoniker, die genauen Kenner orphischer Traditionen
und platonischer Philosophie, wußten, daß das Gleichnis von dem roßbespannten
Wagen, der den Parmenides zur Gottheit emporführt, in den
wesentlichen Zügen, wenn auch in jüngerer Form und in erweiteterer
Ausschmückung und Deutung, sich im Phaidros des Plato wiederfindet.
Hermias, der Komentator der Platonischen Phaidros, wußte auch, daß
die Pferde, die den Wagen ziehen, symbolisch sind,x) denn der mit Rossen
ausgestattete Phanes der Orphiker, die Rosse im Phaidros des Plato
und die Rosse am Wagen des Parmenides gehören ihm zusammen. Er
deutet sie ganz allgemein auf Tätigkeit und rasche Bewegung;2) Simpli-
kios faßt sie physiologisch als die Begierden der Seele auf: aber wenn
auch beide offenbar den Ursprung des Symbols nicht kennen, so wissen
sie doch beide, daß ein Symbol vorliegt.

Parmenides sagt weiter:3) ,,Du wirst auch erfahren, woher der ringsumfassende
Himmel entsproß und wie die Notwendigkeit ihn führend
zwang, die Schranken der Gestirne festzuhalten." Auch das Verständnis
dieser Stelle erleichtert uns eine Nachbildung bei Plato, die nur durch
die große Kontinuität der Lehre in solchen Dingen möglich
war. Die in der Mitte des himmlischen Lichtkreises thronende Ananke
schildert uns Plato4) und die Spindel, welche sie hält, und die Sphären,
die sich an dieser in ewigen Kreisen nach der von den Sirenen gesungenen
Harmonie drehen. Diese Spindel ist offenbar die Achse der
Welt, während die Moiren oder Parcen sowohl durch ihre Namen als
auch durch ihren Anteil an dem Zustandekommen des Weltgewebes ihre
Beziehung zur Zeit an den Tag legen.

Diese drei Moiren des Plato, die auch der orphischen Theogonie
angehören, finden wir bei Parmenides in der Dreiteilung der Zeiten vorgebildet
: „Entstand es, so ist es nicht, und ebensowenig, wenn es
künftig entstehen wollte."5) Gerade die Zusammenstellung, Anfang,
Mitte, Ende ist nur der orphischen Symbolik eigen, während in Hera-
klits Weltenjahr bloß Anfang und Ende durch JLQ = 10,800 Jahre symbolisiert
sind.

Aus Feuer und Erde und aus den Stoffen, die aus der Mischung
von Feuer und Erde entstehen, bilden sich nach Parmenides zur verhängten
Stunde die Wesen im Innern der Erde. Und der Reihe nach,
wie es ihnen bestimmt war, keimten sie aus dem Boden unter dem Ein-

!) Hermias in Piat. Phaedr., p. 125.

Hermias in Plat. Phaedr,, p. 137; Abel, I. c. p. 179.
») Fragment 10, v. 5 ff.
4 Res. publ. 616 C.
5) Fragm. 8, v. 21.


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