Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 234
(PDF, 140 MB)
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die Vermutungen ihres Aberglaubens zu Hilfe. Aber sie wußten noch
nichts von List und übten keinen freiwilligen Betrug, sondern zitterten
vor den Geheimnissen, welche ihr Glaube selbst geschaffen hatte. Sie
rieten, was sie selbst glaubten, und so alte ergraute Männer hatte nie
ein kühner Traum verlockt, ihre Krieger und Könige durch die Kunstgriffe
des Truges zu beherrschen.

Der Sohn Oßlahs betrat furchtlos das hohe Gebäude und näherte
sich dem oberen Ende der Halle, wo die Greise versammelt waren.

„Wie, niedriggeborener Feigling !" rief der Aelteste, seinerzeit ein
angesehener Krieger, „wie wagst Du es, ohne weiteres in den geheimen
Rat der weisen Männer Dich zu drängen? Weißt Du nicht, Landstreicher,
daß die Todesstrafe darauf gesetzt ist?"

„Erschlage mich, wenn Du willst!" erwiderte Morven, „aber höre!
Als ich vergangene Nacht unter den Ruinen unseres alten Königspalastes
saß und, wie mir mein Vater gebot, die Schafe weidete, damit nicht die
wilden Banden Alerichs unversehens von den Bergen herabkommen und
die Herde rauben möchten, entstand ein heftiger Sturm; aber als der
Sturm vorübergezogen und ich nach dem Himmel blickte, sah ich einen
Stern von seiner Höhe zu mir niedersteigen und eine Stimme von dem
Sterne rief mir zu: „„Sohn Oßlahs, verlaß deine Herde und gehe in den
Rat der weisen Männer und sage ihnen, daß sie dich aufnehmen sollen
unter ihre Zahl, oder es werde das Verderben plötzlich über sie und die
ihrigen hereinbrechen."" Aber ich faßte Mut und antwortete der Stimme:
„Spotte nicht des armen Hirtensohnes. Siehe, sie werden mich töten,
wenn ich so kühne Worte mir erlaube, denn ich bin arm und wertlos
in den Augen des Stammes von Oestrich, und die durch Taten Berühmten
und durch Alter Ergrauten sitzen allein im Rate der Weisen."

„Hierauf sprach die Stimme: „Tue nach meinem Befehle und ich
will dir ein Zeichen geben, daß du von den Mächten kommest, welche
die Jahreszeichen beherrschen und auf den Fittichen des Windes einherziehen
. Sage den weisen Männern, es werde, wenn sie sich weigern
dich in ihre Mitte aufzunehmen, noch diese Nacht das Unglück über sie
hereinbrechen und ihnen ein blutiger Morgen dämmern.""

„Die Stimme schwieg und eine Wolke verhüllte den Stern; ich
dachte lange darüber nach und kam, o ehrwürdige Väter, trauernd zu
Euch. Ich fürchtete nämlich, Ihr würdet mich erschlagen wegen meiner
frechen Zunge, und Ihr würdet mich zum Tode verurteilen, weil ich
etwas fordere, das selbst den Söhnen der Könige kaum gestattet würde."

Hierauf blickten die strengen Aeltesten einander an und wußten
vor Staunen nicht, welche Antwort sie dem Sohne des Hirten geben
sollten. Endlich sagte einer der Weisen: „Sicherlich muß Wahrheit sein
in dem Sohne Oßlahs, denn er würde nicht wagen, die großen Lichter
des Himmels zu Lügnern zu machen. Wenn er die Worte des Sternes
einem Menschen zugeschrieben hätte, so könnte man mit Recht an ihrer
Wahrheit zweifeln. Wer möchte aber die Götter der Nacht zur Rache
herausfordern?"

Hierauf nickten die Aeltesten billigend mit dem Kopfe; einer jedoch
brachte folgende Einrede vor: „Sollen wir den Sohn Oßlahs als Unseres-
gleichen aufnehmen? Nein!"

Der Name des Mannes, welcher also antwortete, war Darvan und
seine Worte gefielen den Aeltesten.

Aber Morven erwiderte: „Wahrlich, Ihr Räte des Königs, ich verlange
nicht gleichen Rang mit Euch einzunehmen; ich will nur die Tore


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