Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 379
(PDF, 140 MB)
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besten gedient hatten und verordnete, daß sie in dem großen Tempel
den Sternen dienen sollten, und Morven war ihr Oberhaupt. Dann legte
er die Krone, die sie ihm aufdrängten, beiseite und wählte aus den
Aeltesten einen neuen König. Ferner verordnete er, daß künftig nur
die Diener der Sterne in dem großen Tempel den König und die Beamten
erwählen, Ratssitzungen halten und Kriegserklärungen erlassen
sollten; dem Könige aber erlaubte er, zu schmausen, zu jagen und sich
in den Festhallen zu ergötzen. Auch Altäre baute Morven in dem
Tempel und er war der erste, welcher im Norden vierfüßige Tiere und
Vögel und später auch Menschenfleisch auf den Altären opferte. Er
weissagte aus den Eingeweiden der Opfertiere, gründete Propheten-
schulen, und seine Frömmigkeit wurde von dem Volke, besonders weil
er die Krone ausgeschlagen hatte, ehrfurchtsvoll bewundert. Und Morven,
der Hohepriester, war zehntausendmal mächtiger als der König. Er
lehrte das Volk den Boden pflügen und Getreide säen, und durch seine
Weisheit und die Energie, welche seine Prophezeiungen seinem Stamme
einflößten, bezwang er alle Nachbarvölker. Die Söhne von Oestrich
breiteten sich aus über ein gewaltiges Reich und mit ihnen der Name
und die Gesetze Morvens. In jeder Provinz, welche er eroberte, ließ
der Seher einen Tempel für die Sterne bauen.

Aber ein schwerer Kummer kam über die Jahre Morvens. Sirors
Schwester beugte ihr Haupt und überlebte die Ausrottung ihres Stammes
nicht lange. Sie ließ Morven kinderlos. Und er versank in tiefe Trauer
und war wie außer sich, denn sie allein in der Welt vermochte sein
Herz zu lieben. Er setzte sich nieder, bedeckte sein Gesicht und sprach:
„Siehe, ich habe mich gequält und gearbeitet, und nie zuvor hat irgend
ein Mensch auf der Welt bezwungen, was ich bezwang. Wahrlich, das
Reich der eisernen Sitten und riesigen Glieder besteht nicht mehr! Ich
habe eine neue Macht gegründet, die fortan die Länder regieren soll —
die Herrschaft des Verstandes und des befehlenden Geistes. Aber siehe,
mein Schicksal ist öde und bereits fühle ich, daß weder Frucht noch
Baum meine alten Tage schützen wird, trostlos und einsam soll ich in
mein Grab hinabsteigen. 0 Ornal Meine Schöne, meine Geliebte!
Keine andere gleicht Dir, und Deiner Liebe verdanke ich meinen Ruhm
und mein Leben! Wären doch um deinetwillen, Du süßer Vogel, der in
der dunklen Höhle meines Herzens nistete — wären doch um Deinetwillen
Deine Brüder verschont worden, denn wahrlich mit meinem Leben
würde ich das Deinige erkaufen! Ach! erst als ich Dich verlor, fand
ich, daß Deine Liebe mir teurer war, als die Furcht der Uebrigen!"
Und Morven trauerte Tag und Nacht, und niemand vermochte ihn zu
trösten.

Von dieser Zeit an widmete er sich allein den Sorgen seines Berufes
; sein Herz und sein ganzes Wesen streifte jedes sanftere Gefühl
vollends ab und wurde wie versteinert; er war ein Mensch ohne Liebe,
und verbot auch den Priestern Liebe und Ehe.

In seinen späteren Jahren standen andere Propheten auf, denn die
Welt war gerade durch Morvens Weisheit weiser geworden, und einige
sprachen zu sich selbst: „Ist nicht Morven, der Sohn des Hirten, ein
König der Könige? Dies taten die Sterne für ihren Diener; sollen wir
nicht auch Diener der Sterne werden?"

Und sie trugen schwarze Gewänder gleich Morven und prophezeiten
, was ihnen die Sterne verkündeten. Aber Morven geriet darüber
in die größte Wut, denn er wußte besser als irgend ein anderer, daß

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