Freiburger historische Bestände - digital

Zentralblatt für Okkultismus.

Ißonatsscbrift zur Erforschung der
gesamten ßebeimwissenscbaften.

Schriftleiter: Karl Brandler-Pracht.

Erscheint jeden Monat. Abonnementspreis für Deutschland und Oesterreich-Ungarn

jährlich Mk. 6.—, für das Ausland Mk. 8,—.

Manuskripte und Zuschriften sind zu richten an

den Schriftleiter Karl Brandler-Pracht,
München, Kurfürstenstr. 62.

Zuschriften ohne beigelegte Retourmarke werden nach
Tunlichkeit im Briefkasten beantwortet.
Inseratpreis: Mk. 0,30 für die lspaltige Zeile.
Alle Geldsendungen sind an die Uerlagsbucbbattdlung von
THax flltmann in Etipzig zu Hebten.

Die Schriftleitung ist nur für die von ihr unterzeichneten
Artikel verantwortlich. Die einzelnen Autoren
haben die in ihren Arbeiten niedergelegten Ansichten
selbst zu vertreten. Das „Zentralblatt für Okkultismus
" hält keine bestimmte Richtung ein, sondern will
die Anhänger aller Richtungen, Systeme und Anschauungen
zu Worte kommen lassen, um dem Leser
stets einen Ueberblick über das gesamte Geistesleben
auf allen Gebieten des Okkultismus zu geben.

II. Jahrgang.

April 1909.

10. Heft.

I. Wissenschaftliche? Okkultismus.

a) Theoretisches und Kritisches.
1. hermetische Philosophie und Freimaurerei.

Von Oswald Wirth, Paris,
(Schluß.)

Vom Standpunkt der Initiation aus betrachtet, bedeutet der Besitz
des Gesellengrades bereits die Fähigkeit, das zu vollbringen, was man
gemeinhin Wunder nenntl Mit dem Zollstock und dem Hebeeisen bewaffnet
hebt der Initiierte die Welt empor, die moralische Welt wohlverstanden
, die zu heben allein von Wichtigkeit ist.

Was hat nun der Meister zu tun? Er hat sich zu identifizieren
mit dem großen Baumeister des Weltalls, um in ihm und durch ihn
zu wirken.

Das ist reine Mystik, ich gestehe es gern zu, aber die religiöse
Mystik ist nichts anderes als eine abweichende Art der Initiation. In
ihrem stufenweisem Vorgehen auf den 3 Wegen, die als Reinigung,
Erleuchtung und Vereinigung bezeichnet werden, ist die Mystik nicht
weniger logisch wie im Auferlegen von Abtötungen, die, wenn sie
wohl verstanden würden, denselben Zweck erfüllten wie die Prüfungen
der Initiierten. Sich abtöten heißt irgend einer Sache abzusterben suchen.
Nun wird uns aber von der Maurerei zweimal der Tod auferlegt: zuerst
bei Beginn unserer Laufbahn in der schwarzen Kammer, sodann bei
unserer definitiven und selbstständigen Initiation in der mittleren
Kammer.

Dieser zweite Tod entspricht der Vollendung des großen Werkes,
er ist gleichbedeutend mit der völligen Selbstaufopferung, bestehend in
der Verzichtleistung auf jegliches persönliche Verlangen, er ist die Ausrottung
jenes radikalen Egoismus, welcher den Fall Adams verursachte.
Das engherzige, kleinliche Ich verschwindet vor dem unpersönlichen
höheren Selbst, das durch Hiram dargestellt ist. Die Sünde des universellen
Adam ist auf diese Weise gesühnt. Denn darüber muß man

Zentralblatt für Okkultismus. Jhrg. II. 28