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und Arme stets in Kontrolle der Nebensitzenden halten zu können, rundweg
ab. M. de Vesme sagt, der Grund sei sehr einfach: das Medium
manipuliere in diesem Teil der Sitzung mit Puppen! und d|e Erscheinungen
hätten auch nur die Attribute, welche man Puppen geben
kann: sie sind flau und leblos. Ich kann dies von den Phantomen der
Münchener Sitzung nicht behaupten. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß
der plumpe Trick in den 30 Jahren der medianimen Tätigkeit Millers
niemals entdeckt worden ist.
2. Das Phänomen der schwebenden Kugel erklärt M. de Vesme
verblüffend einfach: Das Medium steigt im Kabinet auf den Stuhl und
läßt einen Ballen weißen Stoffes, der an einem ausziehbaren Stock hängt,
von oben herab sich allmählich entfalten usw. Sobald die Kugel den
Boden berührt, schmuggelt sich das Medium in den Stoff. Das klingt
ja sehr einfach — aber ich halte es für unmöglich, daß das Medium
jenes staunenswerte Phänomen in dieser Weise vorgetäuscht hat. Ich
glaube, der geringste Versuch, dies nachzuahmen, wird die Ueberzeugung
verschaffen, daß jene Erklärung nicht zutrifft. Der Stoff, sagt de Vesme,
ist feinste Seide, welche in großer Menge kompendiös untergebracht
werden kann. Er wird in Paris „Tüll-Illusion" genannt. Nomen est
omen, meint M. de Vesme.
3. Die Anklage behauptet ferner, daß wenn mehrere Phantome zugleich
erscheinen, immer nur eins derselben lebenswahre Bewegungen
macht und daß sich die Gruppe niemals von dem Kabinet entfernt.
M. de Vesme erklärt dies aus dem Umstände, daß eben nur das eine
Phantom durch das Medium gemimt wird, während die anderen Gestalten
„Mannequins", d. h. Puppen sind, welche von dem Medium dirigiert
werden.
4. M. de Vesme sagt, daß die männlichen Phantome männliche
Stimmen haben, daß aber die weiblichen Gestalten nur flüstern. „Warum",
sagt er, „ist es denn nicht umgekehrt?" Ich selbst kann dem nicht
beipflichten; ich habe in der Münchener Sitzung ein weibliches Phantom
klar und deutlich mit weiblichem Timbre sprechen hören. Bezüglich
des Gesanges der berühmten Negerin Betzy meint de Vesme, daß es
Falsett des Mediums sei. Man muß sich unwillkürlich fragen, ob denn
diese Bemerkungen und Beobachtungen de Vesme's allen übrigen Teilnehmern
in den vielen Sitzungen, die Miller seit Jahren gab, entgangen
sind. Ich halte dies für sehr unwahrscheinlich. Es ist auch nicht richtig
, wenn Vesme meint, daß M. Miller reines Deutsch spricht, wie dies
seitens mehrerer Phantome geschehen ist. Ich kenne das Medium doch
persönlich. Allerdings kann die Skeptik einwerfen: es hütet sich, außer
der S£ance ein deutsches Wort zu sprechen. Ist dies wahrscheinlich?
5. Schwerer zu widerlegen ist die Angabe M. de Vesme's, daß in
einer der letzten Pariser Sitzungen zwei Damen — einwandfreie Persönlichkeiten
, welche an Miller glaubten — beobachtet haben, daß bei einer
heftigen Gestikulation des „Spirits Benton" die weiße Gewandung sich
öffnete und darunter ein Flanellhemd und ein Hosenbund sichtbar wurden
1 Nur zwei Personen haben dies bemerkt — seltsam. Uebrigens,
wenn man will, könnte man die Erscheinung Bentons diesmal als Trans-
figuration darstellen, in der die Kraft nur zur Erzeugung der weißen
Gewandung gereicht hat. Aber ich stehe nicht an, diese Erklärung für
gezwungen zu halten.
6. Merkwürdigerweise läßt M. de Vesme auch die berühmte Kontrollsitzung
nicht als einwandfrei gelten. Und doch war de Vesme
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