Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 519
(PDF, 140 MB)
Bibliographische Information
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1908/0526
— 519 —

müssen, statt dessen aber schloß sich der Wald immer dichter zusammen
und starre Felsen standen im Hintergrunde.

Ich kehrte um und fuhr langsam zurück. Aber der Finnenwald
ist groß und wer sich verirrt hat, findet sich nicht leicht wieder zurecht.
Lange Zeit suchte ich vergeblich nach dem Wege, rastete eine Weile
und fuhr dann wieder weiter. Ich hoffte bald jemand zu treffen, der mich
zurecht wies, aber es kam niemand.

Es war in der Mitte des Sommers und noch sehr heiß, obgleich es
schon spät geworden war. Wie leichter grauer Flor lag die Nacht über
dem Walde. Die Blumen hatten ihre Kelche nicht geschloßen, starr und
ernst standen die Kiefern und die Birken ließen ihre Zweige wie Trauerweiden
müde hängen. Alles schien in der bangen Stille um mich her
gespannt auf etwas zu warten. Die Natur konnte nicht schlafen gehen;
denn ewig wach schwebte das große Sonnenauge am Himmel.

Zwischen hohen Föhrenstämmen stand plötzlich ein kleines braunes
Haus. So plötzlich, als wäre es aus dem Boden emporgestiegen, stand
es da, daß ich fast darüber erschrak. Ich sah, daß jemand vor der Türe
saß und lenkte mein Pferd dem Hause zu.

Vor der Tür auf einer Bank saß ein alter Mann. Sein Haar und
sein Bart waren schneeweiß und die Hände hielt er regungslos auf den
Knieen. So saß er da wie ein Bild aus Stein. Er blickte auch nicht auf,
als der Wagen näher kam.

Ich rief ihn an und fragte nach dem Wege. Langsam, ganz langsam
richtete er seinen Kopf empor. Seine Augen blickten starr und glanzlos
geradeaus — er war blind.

Es dauerte lange, ehe er antwortete, und ich glaubte schon, er wäre
auch stumm. Endlich öffnete er doch den Mund und sprach zu mir
mit einer Stimme, die klang, als wenn sie Jahre lang nicht gebraucht
worden wäre. Dabei erhob sich auch sein magerer und langer Arm und
mit merkwürdiger Sicherheit wies er mir die Richtung.

Ich wollte aber jetzt nicht gleich weiter fahren. So viele Stunden
hatte ich schon versäumt, daß es auf eine halbe nicht mehr ankam. Das
seltsame kleine Haus und der blinde Alte davor reizte meine Neugier.
So stieg ich denn ab und fragte den Alten, ob ich mich neben ihn setzen
dürfte. Er murmelte etwas Undeutliches. Ich nahm das für Zustimmung
und setzte mich auf die Bank. Hinter meinem Rücken war ein Fenster
und ich konnte mir nicht versagen, einen Blick ins Innere des Häuschens
zu werfen. Ein großer Ofen war darin, ein Sims mit Tellern und Tassen,
ein Bett und ein paar Stühle, die um einen Tisch standen — sonst nichts.

„Wohnt Ihr hier?" fragte ich den Alten.

Er schwieg lange Zeit. „Ja," erwiderte er dann kurz und ärgerlich.

„Habt Ihr immer hier gewohnt?" fragte ich weiter.

„Ja, immer," antwortete er und — wie wenn er, da er schon einmal
sprach, weiteren Fragen vorbeugen wollte — fuhr er fort:

„Mein Vater hat dies Haus gebaut, ich bin hier geboren und immer
hier gewesen."

„Aber Ihr seid doch nicht immer hier allein? Ganz allein könnt Ihr
doch hier im tiefen Walde nicht leben?"

Während ich fragte, sah ich ihn an. Er war in einen ganz groben,
einfachen braunen Stoff gekleidet, a*ber sehr sauber. Die Füsse staken
in großen plumpen Bauernschuhen. Seine Hände lagen immer auf den
Knieen — sie waren merkwürdig schmal. Eine seltsame Unruhe und
ein Rucken ging jedesmal, wenn er sprach durch seinen Körper, wie bei


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