Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
2.1908/9
Seite: 571
(PDF, 140 MB)
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Datums: 22. 3. 1872 (kurz vor »/« 9 Uhr früh) der 23. 3. 1872 berechnet erschien.
Die ganzen Angaben selbst aber trafen, soweit sie Vergangenheit, Charakter und
Anlagen etc. betrafen, also eine Beurteilung zu leisten, zumeist genau — daneben.
Nicht vergessen hatte der geschäftstüchtige Astrologe, mich gleichzeitig um Weiterempfehlung
zu ersuchen. Ich schrieb ihm, daß ich doch den 22. 3. und nicht den
23. 3. zur Berechnung angegeben habe, daher das Horoskop doch wohl nicht richtig
sein könne. Er antwortete, ich möge ihm das Horoskop retournieren, er wolle mir
ein anderes schicken. Nachdem ich eine Abschrift genommen, schickte ich das
Schriftsück zurück. Lange blieb ich ohne Antwort, bis ich sie urgierte. Nun schrieb
mir der Herr eine Postkarte, mir eröffnend, daß „der Stand der Sterne am
22. März 1872 derselbe gewesen sei „wie am 23. März", das Horoskop also
stimme. Gleichzeitig enthielt die Karte so eine Art Einladung zum Beitritt als stiller
Teilhaber der Horoskop-Fabrik, denn er versprach mir in der Karte 50 Pfg. Vergütung
für jede Empfehlung. Das Original des Horoskops aber habe ich nicht mehr
gesehen; jedenfalls hat der Herr im Drange der Geschäfte darauf vergessen. Ich
weiß nicht, ob andere Leser des Blattes ähnliche Erfahrungen mit den Inseraten
Kurts gemacht haben. Jedenfalls bekommt man recht bald genug von solcher
Astrologie. Da plagen sich oft die gewiegtesten Astrologen mit den schwierigsten
Berechnungen tagelang herum, um den genauen Geburtsmoment und den Stand
der Sterne in diesem Augenblicke festzustellen, und nun können sie von Herrn
Kurt erfahren, daß das überflüssig ist, denn auf 24 Stunden früher oder später kommt
es gar nicht an.

Aus Kassel kommt uns folgende Nachricht zu: „Astrologie, Phrenologie und
Chiromantie sind Unsinn." Mit diesen Worten schloß der Sachverständige
seine Ausführungen in einem Prozeß vor der hiesigen Strafkammer, der eines
humoristischen Beigeschmacks nicht entbehrte. Ein Kaufmann hatte sich als Chirologe
und Phrenologe aufgetan und fand großen Zulauf, da vieles, was er vorhersagte, auch
„richtig eintraf". Das Gericht sah aber sein Treiben als groben Unfug an und verurteilte
ihn zu 25 Mk. Geldstrafe. Gegen dieses Urteil legte der Kaufmann Berufung
ein, so daß die Sache die Strafkammer beschäftigen mußte. Der Phrenologe, ein
nicht ganz klarer Kopf, verteidigte sich in langatmigen Ausführungen und bemühte
sich, den Gerichtshof von der wissenschaftlichen Bedeutung seines Systems zu
überzeugen. Die letzten Geheimnisse seiner Kunst wollte er freilich nicht offenbaren,
höchstens unter Ausschluß der Oeffentlichkeit, dazu habe ihm sein Wissen zu viel
Geld gekostet. Jedoch verstand er sich dazu, unentgeltlich dem Vorsitzenden aus den
Handlinien die Zukunft zu deuten. Der Anwesenden bemächtigte sich allmählich
eine gelinde Heiterkeit und auch der hohe Gerichtshof begann verdächtig zu
schmunzeln, als der Sachverständige, Geh. Medizinalrat Dr. Heinemann, die Künste
des Angeklagten als baren Schwindel bezeichnete. Er meinte, der Angeklagte könne
sich freuen, nicht vor 200—300 Jahren gelebt zu haben, sonst wäre er wahrscheinlich
als Hexenmeister oder ein vom Teufel Besessener verbrannt worden. Wer an
Chiromantie glaube, stehe auf einem verdrehten Standpunkt. Gegen dieses
vernichtende Urteil erklärte der Angeklagte überlegen, daß seine Kunst eben eine
Wissenschaft sei, die der Herr Sachverständige nicht verstehe. Früher sei das mit
dem Hypnotismus ebenso gewesen. — Der Gerichtshof beschloß, Erhebungen über
das Vorleben des Beklagten anstellen zu lassen und das Material dem Sachverständigen
zu übergeben, damit dieser sich über den Geisteszustand des Phrenologen äußern
könne."

Pseudo-Astrologen,, wie Herr Kurt in Kiel, haben es zum Teil mit verschuldet,
daß die Astrologie sich von vielen Seiten ein solches Urteil gefallen lassen muß.
Freilich hat der Herr Sachverständige keine Ahnung von Astrologie, Phrenologie
und Chiromantie, sonst könnte er eine solche Behauptung nicht aufstellen. Aber
er ist eben sachverständig, obwohl er augenscheinlich nicht zu wissen scheint, daß
sich bereits Männer der Wissenschaft eifrig mit diesem „Unsinn" befassen. Wir verweisen
hier nur auf das „Lehrbuch der Chiromantie" von k. k. Professor Julius
Nestler, ferner auf die Schrift „Die Seele und die Sterne" aus dem Englischen von
Dr. C. Vopel u. a. m. Ob der Angeklagte Schwindel getrieben hat, unterliegt nicht
unserer Beurteilung, aber dagegen müssen wir uns verwahren, daß man diese
Wissenschaften an solcher Stelle als Unsinn stempelt; in solchen Prozessen sollte
eben nur eine Persönlichkeit als sachverständig gelten, die mit der Materie vollständig
vertraut ist. Die Schriftleitung.

Goethe als Spiritist. Goethe ist schon von vielen modernen Geistesrichtungen
zum Schutzpatron erwählt worden; auch die Spiritisten sind stolz darauf,
ihn zu den ihrigen rechnen zu dürfen, wie A. S. Furnell in einem längeren Aufsatz
der„Occuit Review" ausführt, „Wir haben viel von Goethe gehört als einem klassischen


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