Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
3.1909/10
Seite: 91
(PDF, 134 MB)
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Welch hohe Stufe der Kultur ist notwendig, um nur einige fernwir*kende Eigenschaften
der menschlichen Seele, ja der beseelten Natur überhaupt ins Technische zu
übertragen? Gewiss, derlei Erfindungen legen Zeugnis ab vom Siegeslauf des menschlichen
Genius, aber unendlich größer als all dies sind die in jeder menschlichen
Seele schlummernden Keime der göttlichen Tugenden, der Selbstlosigkeit, des
Erbarmens und der Liebe zu allen Lebewesen, welche entwickelt allein im Stande
sind uns zu beglücken und eine wahrhaftige Kultur herbei zu führen. Lassen wir
uns also nicht blenden, die Technik allein beglückt uns nicht, aber im Dienste
einer veredelten Menschheit kann sie viel Gutes stiften. Die Schriftleitung.

Die „Kontra-Hypnose" des Harfenspielers. „Eine dunkle Geschichte."
Haag, 25. Juni. Wenn Professor Lombroso in diesen Tagen im Haag gewesen wäre,
so würde er im Gerichtssaale einen interessanten Stoff zur Bearbeitung gefunden
haben. Der Gerichtshof beschäftigte sich mit einer Geschichte, die damals, als
sie bekannt wurde, große Erregung hervorrief, und jezt, da ihre Details vor der
Öffentlichkeit aufgerollt werden, allgemeines Kopfschütteln zur Folge hat. Die
Hauptpersonen in der eigenartigen Geschichte sind das Mitglied des Berliner Philharmonischen
Orchesters, der Harfenist Otto Müller, der Zivilingenieur Jongheer
Benthem van den Bergh und das Fräulein Sophie Hirschmann. Die Dame ist seit
einer Reihe von Jahren mit Müller bekannt und behauptet, von einer unbekannten
und unwiderstehlichen Macht zu Müller hingezogen worden zu sein. Selbst als
sich Müller verheiratete, waren alle Mittel, die Müller und seine Frau anwandten,
um sie loszuwerden, vergeblich. Sie folgte Müller vom Haag nach Berlin, von
Hamburg nach Petersburg, immer — wie sie angab — ein willenloses Opfer jener
geheimnisvollen Macht.

Nachdem sich Mülier vergeblich an die Polizei gewandt hatte, nahm er, wie er vor
Gericht bekundete, auf Anraten zweier Ärtzte seine Zuflucht zu einer Art „Kontrahypnose
", durch die er sich von Fräulein Hirschmann befreien wollte. Das neue Mittel bestand
darin, daß Müller das verliebte Fräulein mit einem Stock gehörig verprügelte. Er
fing mit der neuen Kur auf einer einsamen Düne an und schlug das damals sechzehnjährige
Fräulein braun und blau. Einmal büßte sie dabei fast ein Auge ein,
ein anderesmal soll ihr die Lippe zerschlagen worden sein. Auch Frau Müller
beteiligte sich an den Mißhandlungen und renkte dem Fräulein einen Arm aus.
Diese sonderbare Hypnose blieb natürlich ohne jede Wirkung; im Gegenteil, Fräulein
Hirschmann folgte Herrn Müller nach wie vor mit derselben Anhänglichkeit. Plötzlich
erstand ihr ein rächender Ritter in der Person des Jongheer Bethem van den Bergh.
Er erfuhr von dem tragischen Mißgeschick des Fräuleins und beschloss sie zu
verteidigen. Er war der Überzeugung, daß Müller die Dame hypnotisiert habe und
schuld an dem ganzen Unglück sei. Um diesen Bann zu brechen, glaubte er,
dieselbe „Kontrahypnose" anwenden zu müssen, mit der Müller Fräulein Hirschmann
kurieren wollte; er lockte den ihm damals noch unbekannten Musiker durch einen
Freund auf ^eine Wohnung und verprügelte ihn nach allen Regeln der Kunst Dieser
Vorgang bildet den eigentlichen Gegenstand des Prozesses. Benthem behauptet
freilich, daß er in der Notwehr gehandelt habe. Als er den Musiker den „größten
Schurken unter der Sonne" genannt habe, habe Müller ihn anzugreifen versucht.
Er habe sich zur Wehr gesetzt und in seiner Not zu einem Revolver gegriffen.
Wie das weitere Verhör ergab, hatte Benthem von dem Harfenspieler ein Schriftstück
verlangt, in dem dieser anerkennen sollte, daß er sich Fräulein Hirschmann gegenüber
ungehörig benommen habe, daß er den Versuch gemacht habe, seine eigene
Frau zu vergiften, und daß sich seinetwegen ein junges Mädchen das Leben genommen
hätte. Als Müller sich weigerte, dieses Schriftstück zu unterschreiben,
veröffentlichte der erbitterte Ingenieur den Sachverhalt in einem Hagener Blatte.

Dem Verhör Müllers folgten die Zuhörer mit atemloser Stille. Er erklärte,
daß er seine antihypnotische Kur auf Anraten der (inzwischen verstorbenen) Mutter


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