Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
3.1909/10
Seite: 232
(PDF, 134 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1909/0239
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Ein Beitrag zur Charakterisierung des Hellsehertums. Der Redaktion wird
geschrieben:

In einer Ihrer letzten Zeitungsnummern las ich einen Artikel, unterschrieben
von einem gewissen Herrn Professor aus Durlach, der durch seine Erörterung und
Definition von Okkultismus für das Helisehertum Propaganda zu machen scheint.
Unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit rechtfertigt er die Möglichkeit, daß
Hellsehen kein Ding der Unmöglichkeit ist und daß in unserem speziellen Falle
der Zizenhauser „Hellseherin als solcher eine heilende Kraft innewohnen kann.
Wenn er auch an dem „übernatürlich" Anstoß nimmt, so ist es doch auf dem
„übersinnlichen" Wege, auf dem Hellseherinnen heilen. Er weiß, daß es kein
Übernatürliches gibt, aber er weiß, daß die Hellseherin eine Somnambulante ist, und
weil Somnambulismus ein Teil des Okkultismus ist und dieser ein Teil der Naturwissenschaft
sei, so darf man, ohne auf den Anspruch, wissenschaftlich zu denken
und zu fühlen, verzichten zu müssen, der Hellseherin, weil sie eben Somnambulante
ist, eine Heilkraft zuschreiben und sie mit Recht konsultieren, um sich endlich von
einem Leiden, das alle Koryphäen der medizinischen Fakultät nicht heilen konnten,
befreien zu lassen 1 O, alte Burschenherrlichkeit, wohin bist du verschwunden 1

Ich will hier die ganze Geschichte und Literatur des Okkultismus mit samt
seiner heilenden Kraft und die Gründe und Beispiele, die der Herr Professor anführt,
übergehen, einmal der Kürze halber und aber auch, weil der Herr Professor am
Schlüsse seiner Erörterung aus dem Fahrwasser wissenschaftlicher Objektivität auf
sein Spezialgebiet, die Poesie und Phantasie, offenbar unbewußt, geraten ist. Nur
das eine möchte ich ihm entgegenhalten, daß er als Anhänger des Okkultismus
eine schlechte „Fremddiagnose" gestellt hat, wenn er der vermeintlichen Hellseherin
von Zizenhausen als Somnambulante eine ärztliche Mission zuschreiben möchte.

Es ist unbegreiflich, wie heutzutage, wo man so viel von wissenschaftlicher
Aufklärung liest und spricht, ein Gebildeter die Hellseherei, oder mit anderen Worten
die verdeckte Schwindelei indirekt unter die Marke der Naturwissenschaft bringen
will, um den Leuten glauben zu machen, daß sie durch eine Schmierkur von fünferlei
Fettarten, gemischt mit Eichen- und Tannenwurzeln, von einem inneren Leiden
geheilt werden sollen, von dem sie der tüchtigste und erfahrenste Arzt nicht befreien
konnte. Mag der Herr Professor persönlich von seiner Privatwissenschaft halten
und denken wie er will, es wird ihm niemand in seiner geheimen Wissenschaft zu
nahe treten. Wenn er aber als Okkultist öffentlich für einen Schwindel eintritt,
wie er wirklich von der Zizenhausener Hellseherin begangen wird, weiß man nicht,
ob man entgegnen oder schweigen und lachen oder bemitleiden soll.

Nennt der Herr Professor vielleicht das Helisehertum und Somnambulismus,
der „übersinnlich0 wirken kann, wenn das betreffende hellsehende Mädchen, wie
wie ich mich persönlich überzeugen konnte, bei einfachem Erkältungskatarrh ein
schweres Asthma konstatirt, ein schweres Asthma, das eben, wie sie sich ausdrückte,
zwischen „Fleisch und Haut" sei; ist das Hellsehen, wenn ich jedes Leiden, das
ich der Somnambulante vorspiegle, als wirklich vorhanden konstatiert bekomme?
Hängen vorgespiegelte Herzklappenfehler und nervöse Herzleiden — nervöse Herzleiden
, die bisweilen so intensiv werden sollen, daß das Herz minutenlang nicht
mehr schlägt, und dann minutenlang so stark, daß überhaupt der Puls nicht mehr
gezählt werden kann, insofern mit Asthma zusammen, daß diese organischen Veränderungen
des Herzens durch Kompression vonseiten der Lungen einzig und allein
hervorgerufen werden können? Von der splendiden Ignoranz, die die Hellseherin
vor Gericht über menschliche Anatomie bewiesen hat, will ich ganz schweigen,
wußte sie doch nicht einmal, daß der Mensch eine Milz besitzt, was doch jedes
bessere Schulkind, ohne „hellsehend" zu sein, wissen muß; eine Orientierung über
die Lage der einzelnen inneren Organe war ebenso ausgeschlossen. Ich möchte
hier nicht an die allereinfachsten medizinischen Kenntnisse des Herrn Professor


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