Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
3.1909/10
Seite: 262
(PDF, 134 MB)
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*— 262 —

Madame de R^musat erzählt von ihm, er habe sich einmal, als man
von der Statue Alexanders im Tuilleriengarten sprach, dorthin begeben,
und als er konstatiert habe, daß sie kleiner sei, ausgerufen habe: Je suis
plus grand qu'Alexandre. Er hatte jedenfalls nicht Unrecht. Er war
wirklich trotz aller Schwächen — über deren Unbedeutenheit sich bekanntlich
Goethe in drastischer Weise ausdrückt! — ein großer Mann,
„grand de gfenie et grand de earactfere".

Großen Menschen geht meist die Einheit ab, die ja bei kleinen
Geistern so leicht ist. Es ist nicht schwer ein guter Droschkenkutscher,
aber schwer ein guter König zu sein. So darf man auch bei Napoleon
nicht den Maßstab eines Droschkenkutschers anlegen. Man hat das bisher
aber meist getan. Geistige Droschkenkutscher haben ihn nach sich
beurteilt und ihm schlechte Zensuren gegeben*)

Geniale Naturen können aber nur von ihres Gleichen verstanden
werden. Goethe und Victor Hugo, Heine und Bleibtreu und andere Genies
haben ein richtiges Bild von ihm entworfen. Möchte doch der Tag
nicht fern sein, wo man ein eigenes Napoleonmuseum gründen wird,
das alles vereinigt, was auf ihn Bezug hatl Man hat jetzt Jahrbücher,
ja Zeitschriften, die sich ausschließlich mit einem Manne beschäftigen.
Warum gründet niemand eine internationale Revue „Napoleon" oder ein
Napoleon-Jahrbuch? Die Zahl seiner Verehrer ist im Steigen begriffen,
wie schon daraus hervorgeht, daß beständig neue Bücher über ihn erscheinen
. Aber noch fehlt eine großzügige Biographie, die auf gründlichem
Verständnis seines Wesens basiert wäre, die den Napoleon
intime nicht bloß („Napoleon in Unterhosen"), sondern den Napoleon
occulte berücksichtigt. Viele Kenner müßten das Material zusammentragen
, und wenn vorliegende bescheidene Skizze auch um ein kleines
Steinchen zum Riesen-Mosaik herbeigebracht hat, dann ist für die Mühe
reichlich belohnt.

*) Man hört immer Napoleon seinen Ehrgeiz vorwerfen, seinen Egoismus und
sonstige sehlechte Eigenschaften. Aber, „quod licet Jovi, non licet bovi", lautet ein
lateinischer Spruch. Napoleon fühlte sich, ähnlich wie Dschingiskan und Attila, die
Initiierte waren, als welthistorische Persönlichkeit, die Schicksal ist und Schicksal
macht. Er war nicht eigentlich ehrgeizig, sondern herrschsüchtig: er war ein
Idealist und der männliche Aspekt war bei ihm einseitig ausgebildet. Darauf beruht
seine Größe. Er fühlte in sich die Kraft zu kommandieren, und jeder hat recht,
seine Gaben anzuwenden. „Denn recht hat jeder eigene Charakter, es gibt kein
anderes Verbrechen als der Widerspruch." Aber freilich werden solche gewaltigen
Kolosse allmählich dazu gebracht (ähnlich wie auch Bismarck), daß sie über das
gesunde Maß hinausgehen und dadurch tragisch enden. Bezeichnender Weise haben
beide sich am Ende ihres Lebens in ohnmächtigem Grimme verzehrt, statt den vernachlässigten
höheren weiblichen Aspekt auszubilden, d. h. die religiöse Liebe.
Es ist das Bild des Prometheus, der an den Felsen geschmiedet ist wegen seines
Intellektualismus» Das letzte Ideal besteht in der Verbindung von höherer Männlichkeit
und Weiblichkeit. Hoffen wir, daß, wenn Napoleon noch einmal auf die Welt
kommt, er inzwischen Lehren aus seinem Leben gezogen hat.


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