Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
3.1909/10
Seite: 444
(PDF, 134 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1909/0451
- 444 -

Schatze seiner philosophischen Erkenntnis und Gottesweisheit Mitteilungen
zu machen.

Und auch so standen noch unserem Umgang große Schwierigkeiten
entgegen. Meine Rekonvaleszentenzeit war nicht unbegrenzt, die Berufsarbeit
stand drängend und ungeduldig harrend vor der Pforte meines
beschaulichen Paradieses. Meine unvollkommene Beherrschung der
orientalischen Sprachen, welche überdies für Abstrakta nicht einmal stets
die passenden Ausdrücke liefern konnten, erschwerte und verlangsamte
jeden Gedankenaustausch. Dann zeigte ich oftmals die drängende Ungeduld
, die ewige Hast des immer mit knapper Zeit rechnenden Europäers
. Besonders schwer wurde es mir, auch mein ungestümes Temperament
, das sich so gerne über konventionelle Formen und über die
engen Schranken zeremoniellen Verkehrs hinwegsetzen wollte, zu zügeln.

Wie oft erhielt ich eisiges Schweigen, ein kühles Abwenden als
Antwort auf drängendes, vielleicht momentan unpassendes Fragen 1 Da
kam mir ein neuer Umstand zu Hilfe, um meinen Umgang mit dem
Meister zu befestigen und zu vertiefen.

Mustapha Aga, der kurdische Kaimaham von Milli Seraj (Mesopotamien
), ein Verwandter, Freund und Altersgenosse des Ibrahim Effendi,
war schwer, wenn nicht tödlich erkrankt. Ich hatte ihn schon einmal
früher wegen eines Nierenleidens erfolgreich behandelt. Diesmal verlangte
er mit dem stoischen Fatalismus des Moslems, der seine Sterbestunde
voraussieht, nicht so sehr nach dem Arzte als nach dem Lama,
welcher, wie ich schon früher bemerkt hatte, in weitem Umkreis, selbst
unter den Moslems und Kurden, als „Heiliger" und demgemäß, wie wir
Moderne sagen würden, als „Seelsorger" galt. Seine engere Familie,
die Weiber und die erwachsenen Söhne, wünschten aber, daß auch ich
kommen möge, indem ich mich dem Gefolge des Tschang-gatze Lama
anschließen sollte.

Gleich den folgenden Tag gegen Abend brach unsere kleine Karawane
auf. Der Hitze wegen ritten wir nur nachts. Tagsüber wollten
wir unterwegs in den Felsenhöhlen von Ras ul Ain Tschai rasten. Des
hohen Alters des Lamas wegen ritten wir sehr gemächlich. Er saß
übrigens nach Frauenart auf einem wohlgepolsterten hölzernen Kurdensattel
, den wir meiner ältesten Rassenstute aufgelegt hatten. Tschang-
gatze Lama, Ibrahim Effendi und ich hielten uns stets nebeneinander,
sodaß wir zwei jüngeren Leute den Greis in unsere Mitte nahmen. Die
übrigen Teilnehmer der Karawane, Verwandte, Jünglinge und Diener,
ritten teils voraus, teils weit zurück. Geräuschlos glitten die unbeschlagenen
Hufe der Pferde über das weiche Erdreich. Die beinahe
lautlose Stille der Nacht, der wunderbare tropische Sternenhimmel, die
tiefempfundene Tatsache, daß wir einen Sterbenden zu besuchen eilten,
alles dies bewirkte eine beschauliche, fromme Stimmung, die sich ganz
von selbst in tiefsinnige Gespräche über Philosophie, Religion, Mystik


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1909/0451