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Finsternis. Die Religionen: Buddhismus, Brahmaismus, Schintoismus,
Islam, Christentum, Judentum und Heidentum usw. sind radiale Rennbahnen
nach dem Mittelpunkt
Die eine Rennbahn ist eng und gewunden, mit rückläufigen Schleifen,
mühsam und beschwerlich; die andere Rennbahn ist glatt, gerade, aber
mit Dornen umzäunt; eine dritte ist holprig, spiralig, mit Fallen und
Eisen eingehegt usw. Aber die Gottheit vernimmt nicht nur das sinnlose
Geplapper eines Heiden, das überlegte Gebet eines Christen, auch
das Schreien oder den stummen Schmerzensblick des Tieres, wie das
mechanische Geklapper des Gebetsrades eines mongolischen Bettelmönches
, denn die Gottheit wertet untrüglich die Absicht, das aufrichtige
Wollen, selbst das dunkle Suchen und das unsichere Tasten
im Finsternl — Die Gottheit mißt und schätzt mit ewiger, unergründlicher
Weisheit die persönliche Verantwortung jedes Gottsuchers,
jeder Gottessehnsucht, jedes Gottesanbetens. Hat Dich Ihr Wille in
die Laufbahn einer höheren Religion hineingestellt, so wird es
einst heißen: „Wem viel gegeben ward, von dem wird viel verlangt
werden!"
Wir hatten die Höhe von Ütschhoj erreicht. Da die Nordschlucht
von Ras ul Ain wasserlos ist, so mußten wir bei dem Brunnen von
Ütschhoj Halt machen, damit Menschen und Tiere sich an dem köstlichen
Naß eines guten Trinkwassers erfrischen konnten. Der Tag brach
an, aber noch konnte die fahle Morgendämmerung die Intensität des
Sternenlichtes nicht ganz besiegen. Die Konturen der imposanten
Turmruinen von Ütschhoj, die uns als Direktionsobjekt dienten, zeichneten
sich unheimlich düster vom klaren Blau des Firmamentes ab. Ein
frischer Morgenwind strich die hohen Tal wände entlang, jeder
fröstelte und war froh, für eine Stunde aus dem Sattel zu kommen. Die
Moslems verrichteten ihre Morgengebete, der Lama versank in andächtige
Kontemplation und auch ich stand in tiefen Sinnen, in anbetenden
Betrachtungen über die Größe, Allmacht und Weisheit unseres
Schöpfers verloren, welche sich inmitten dieser grandiosen Natur einem
geradezu aufdrängte. — Geistig und leiblich erfrischt ritten wir bald
darauf in südwestlicher Richtung weiter, bis unsere Karawanenführer
2 Kilometer weiter am Abhang des Rasul Ain-Tschai in einer riesigen
Felsengruft eine wohnliche Unterkunft fanden, wo wir, geschützt vor der
tropischen Tagestemperatur, behaglich ausruhen konnten, um dann abends
unsere Reise fortzusetzen. Ibrahim Effendi und ich waren um die Bequemlichkeit
des greisen Meisters besorgt, der aber lächelnd unseren
Bemühungen wehrte: „Das Alter braucht wenig Schlaf, ich bin gut
aufgehoben; geht, Kinder, sorgt für euch und eure jüngeren Leiber!"
Gehorsam zog ich mich in eine Nische zurück, wo mir ein gutes
Lager bereitet worden war, den Lama und Ibrahim Effendi ihrer eigenen
Siesta überlassend.
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