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waren 90 Personen, wovon 12 ausgelost wurden und in der vordersten
Reihe Platz nahmen. Ich saß dicht hinter diesen am Mittelgang, konnte
also, was auf dem Podium vorging, aus nächster Nähe beobachten. Dort
saß den ganzen Abend bei voller Beleuchtung und vollem Bewußtsein
an einem kleinen runden Tisch das Medium, ein etwa 40 Jahre alter* theologisch
aussehender, schmächtiger Engländer, etwas über Mittelgröße,
mit bartlosem Gesicht und kahlem Vorderschädel, hoher Stirn und in
den Nacken fallenden Locken, neben ihm rechts eine Dolmetscherin,
links ein Mitglied des Vereinsvorstandes. Alle drei wandten ihr Gesicht
dem Publikum zu. Nachdem Peters seine goldene Brille abgelegt, bat
er um größtmögliche Ruhe, weshalb auch die Tür verschlossen ward.
Auch wünschte er, man möge durch guten Willen und harmonische
Stimmung ihm „Kraft geben". Sodann berührte er der Reihe nach die
vor ihm auf dem Tisch liegenden zwölf Gebrauchsgegenstände, meist
Taschenuhren, Ringe und Broschen, welche die Ausgelosten vorher dort
deponiert hatten. Jede der 12 Personen hatte jeweils bloß vorher anzugeben
, ob den Schmuck vorher schon jemand getragen habe und ob
der Träger verstorben sei oder lebe. Eheringe verbat sich Peters, wahrscheinlich
wegen der Intimität der durch sie zu verratenden Beziehungen.
Uberhaupt zeichneten sich seine Auskünfte so sehr durch feinste Diskretion
aus, daß bei vertraulichen Angelegenheiten nur die betreffende
Person, sonst aber niemand im Saal ihn verstand. Ein verständnisinniges
Kopfnicken, auch Tränen der Rührung und der Ausdruck des
Erstaunens waren alles, was die jeweils zu beurteilende Person ihm als
Handhabe zu etwaigen anderen Schlüssen — dies für den Skeptiker! —
lieferte. Nur am Schlüsse jeder Mitteilung, die in leisem, fließendem,
raschem Englisch gegeben ward, frug Peters: „Stimmt es?", worauf in
zwei Dritteln aller Fälle eine freudige oder auch wehmütige Bejahung
erfolgte. Wie ging er nun zu Werke? Den Gebrauchsgegenstand
nahm er jeweils zwischen beide Hände, nachdem er „Wem gehört dies?"
gefragt hatte. Zwei nebeneinander sitzende Personen beurteilte er nie
nacheinander. Nach dem Befühlen in den Händen legte er sich den
Gegenstand ins Kreuz, sodann auf die Stirn und nun begann er, die
eine oder beide Hände oder auch keine auf Stirn und Augen gepreßt,
bald sitzend, bald stehend, bald hin- und hergehend, beständig lebhaft
gestikulierend, mit bald offenen, bald zugekniffenen Augen seine Beurteilung
. Zunächst schilderte er den Charakter, die Pläne und event.
Schwierigkeiten der Person, um dann, meist nur im allgemeinen, Ratschläge
und Winke für die Zukunft zu geben. Einem Herrn z. B. sagte
er auf den Kopf mediale Begabung („für clairvoyance") zu und riet sie
auszubilden. Eigentliche Prophezeiungen, greifbare, waren an diesem
Abend kaum zu vernehmen. Auch ging alles bisher Beschriebene nicht
über den Rahmen einer allerdings meisterhaften Psychometrie und Ge-
dankenleserei hinaus, wobei dem Urteil des einzelnen Zuhörers über-
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