Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
3.1909/10
Seite: 518
(PDF, 134 MB)
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Eine natürliche, rhetorisch-schauspielerische Begabung ließ ihn Töne
treffen, die dem Zuhörer ins Innerste drangen. Über jedes Thema, selbst
über Nichtigkeiten konnte er bedeutsam und tief sprechen, d. h. es klang
bedeutsam und tief. Er wußte zu packen. Dieser seltsame Mann kannte
die Macht de£ Wortes. Mit seinen Worten, trotzdem sie zuweilen zu
Sätzen gefügt pure Sinnlosigkeiten einschlössen, wußte er fortzureißen,
ja ekstatisch zu begeistern.

Es ging eine gewaltige Suggestion von ihm aus, die verstärkt wurde
durch die eigenartigen äußeren Umstände, in denen sich auf Monte
Christo eine ganze Gesellschaft befand. Man lebte von Tag zu Tag
ohne des nächsten, ja selbst ohne des vorigen zu gedenken. In der
Tat existierte auf Monte Christo eine Freiheit, wie sie sich nur in einem
von der Welt fast gänzlich abgeschlossenen Kreise vorfinden kann.
Deren Gesetzlichkeit ist nicht die jener Abgesonderten. Sie fühlen sich
erlesen, erhaben. Man wertet sich, obwohl in jedem das Männchen oder
Weibchen ein gewichtig Wörtlein mitspricht, doch mehr nach der
menschlichen Seite. Es ist Kameradschaft, die die Leute aneinander
bindet. Sie sind aufeinander angewiesen, müssen mit einander auskommen
, sie fühlen sich alle, wenn auch der eine mehr, der andere
weniger, von demselben Brennpunkte angezogen und erleben die Nöte
und Freuden des begrenzten Ganzen als ihre eigenen. Das gibt ein
starkes und besonderes Gefühl zwischen ihnen. Wenn sie sich hassen,
sagen sie sichs frei, aber sie suchen ihren Haß zu meistern. Wenn sie
lieben, so bekennen sie's. Und das Weib schämt sich nicht, bei dem
Mann zu werben. Sie sind Menschen, sind Kameraden. Wessen hätte
sie sich da zu schämen! — Auch sind der stillen Stunden viele, in
denen jeder über sich selbst nachdenkt. Der Prophet gibt ihnen an
sich selbst immer neue Rätsel auf. Sie müssen dazu Stellung nehmen.
Das zwingt sie, sich mit ihres Inneren Innersten zu beschäftigen.
Manche finden da freilich nur das Bild des vergötterten Meisters, andere
aber werden durch diese Betrachtungen groß und frei. Sie sehen in die
Wahrheit der Dinge. Oft suchen sie dann die Augen zu schließen. Es ist
schwer, eine Enttäuschung zu erleben, aber schließlich müssen siedoch erkennen
, was an ihrem Propheten ist, und sie ziehen von dannen. Dennoch
und dennoch verdanken sie ihm viel. Er hat ihnen ihr Eigenstes erschlossen.

Aber er selbst, der Prophet, die „Verkörperung der Christuskraft
in der Satansform"? War er der bedeutende Mann, für den ihn seine
Anbeter hielten, dessen Gewalt Himmel und Erde umfaßte? Oder war
er nur ein von ausschweifender Phantasie gepeitschter Mensch, der in
seinem Taufnamen Jehoshua den Beweis seiner Göttlichkeit erblickte?
Oder war er gar ein raffinierter Betrüger? Das erstere wohl kaum, auch
das letztere nicht. Die Wahrheit liegt hier, wie so oft, in der Mitte.
Von einem orthodoxen Vater erzogen, in frühesten Jugendjahren schon
als Übersetzer der biblischen Urtexte mit der Bibel vertraut gemacht,


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