Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
3.1909/10
Seite: 560
(PDF, 134 MB)
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der im Drama mit eherner Konsequenz den „Konflikt" heraufführt, auch auf
die tiefsten Gründe des Alls, aus denen Ihnen Anschauungen und dam it persönliche
Motive für Ihren Willen zufließen, ihren Wiederschein wirft.*)
A.: Gestatten Siel Sie sprechen hier von der Anschauung, welche
persönliche Motive für den Willen liefert. Ist die Anschauung nicht an
sich indifferent?

P. S.: Sie haben Recht, daß Sie mich an diesen Punkt erinnern.
Ich kann Ihnen auch jetzt sagen, warum ich die Kant'sche Philosophie
besonders in Rücksicht auf ihre Konsequenzen verwerfe.

Kant geht aus von der Anschauung und entspinnt aus ihr den
ersten Teil seines Systems, den er „Kritik der reinen Vernunft" nennt.
Kant sagt aber nicht, daß die Anschauung die Quelle der Morali-
tät, die Wurzel des Du-sollst-Befehles im Innern sei. Ich halte
das aber für wichtig. Ich meine, daß der Mensch durch das, was er
unmittelbar sieht, auch unmittelbar bestimmt wird und sich angetrieben
sieht zu seinem Handeln. Darüber nützt kein Philosophieren. Die Philosophen
hätten von jeher den Menschen gern unter einen vernünftigen
Moralbegriff gezwängt. Aber gerade hier sehen wir, daß die Anschauung
über die Vernunft hinausgeht.

Die Anschauung erhält Sie ja tatsächlich, um mit Eduard von
Hartmann zu reden, fortwährend in einer Welt des Unbewußten oder
sagen wir auch, mit Berücksichtigung des empirischen Teils der letzteren,
des Unterbewußten. Aus diesem Unterbewußten strömen Ihnen fortwährend
Motive für Ihr Handeln zu. Was will da die nur nach außen
abmessende, aus der sinnlichen Erfahrung gespeiste „Vernunft"?

Sie kann einschränken, „kategorisieren". Sie kann das Gesehene
für „Zwecke" verarbeiten. Bestimmen kann sie den Boden der
Anschauung nicht, auf dem wir stehen.

Darum kommt es in der Praxis unseres Denkens darauf an, daß
wir die Anschauung in ihrer Einheit wieder herstellen und nicht,
wie Kant, in eine oberbewußte vernünftige und gleichsam unbewußt-
willensmäßige auseinander reißen.

Ein Philosoph, der nicht von der Integrität seines Sujets ausgeht
, wird uns niemals als Meister desselben erscheinen, und wir werden
ihm bei aller Schärfe der Kritik niemals auch aus moralischen Gründen
folgen. Ich glaube zudem, daß der Kant'sche Sittenkodex darum vielen
so gefällt, weil er im Grunde für niemand verbindlich ist.

Man erhält sich in gewissen Dingen so gern seine Freiheit. Die
Zeit beweist es. Aber auf die Kant'sche Logik schwört man um so
sicherer, denn sie läßt auch dem von Natur unmoralischsten Menschen
noch die Hintertür offen* durch „weise Überlegung" schließlich doch noch
gerechtfertigt zu werden und vor dem Sittenkodex der Vernunft demütig zu

*) Vergl. die „innere Tür«, Funktion Ei ABFt meines Yoga-Schlüssels in allen
vier Schriften.


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