Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
4.1910/11
Seite: 116
(PDF, 173 MB)
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Wissenschaft mit Zweifel aufgenommen worden und de Plongeon ist gestorben, ohne
die Anerkennung seines Lebenswerkes gesehen zu haben. Immerhin sind die
Resultate, zu denen er gelangt ist, zu merkwürdig, als daß sie unbeachtet bleiben
können. In Kürze ausgedrückt, bestehen sie in der Anschauung, daß die Mayakultur
als die Mutter der altägyptischen Kultur und bis zu einem gewissen Grade daher
auch als die Mutter der anderen großen orientalischen Kulturen anzusehen sei, von
denen ja dann wieder auf dem Wege über Griechenland unsere abendländis che
Kultur bedingt oder jedenfalls doch tief beeinflußt worden ist.

Frau Alice de Plongeon, die Gattin des Forschers und seine tapfere Begleiterin
und Mitarbeiterin, gibt im jüngsten Hefte des „London* eine Übersicht über die
von ihrem Manne gemachten Entdeckungen, die sehr viel Interessantes enthält. Der
Ort der Ausgrabungen war die im Norden von Yucatan gelegene Stadt Chichen-Itza,
heute ein jämmerlicher Flecken, einstmals offenbar eine bedeutende Kulturstätte,
und zwar angeblich zu einer Zeit, da Babylon, Assyrien und Ägypten noch von
primitiven Wilden bewohnt waren. Dort fanden sich zwei verschiedene Ruinenlager,
von denen das eine aus neun Bauten bestand, das andere, südlicher gelegene, sieben
Bauten umfaßte. Grundlegend für die Untersuchungen de Plongeons wurde die Tatsache
, daß er in dem Mayaalphabet das ihm bekannte ägyptische Alphabet wieder
erkennen zu dürfen glaubte; die den Aufsatz begleitende Zusammenstellung der
Zeichen beider Alphabete zeigt allerdings viele bemerkenswerte Übereinstimmungen.
Unter den Ruinen bildete das sogenannte „Nonnenkloster" den umfassendsten
Komplex und hier fand sich über dem Portal eine Darstellung der Schöpfung
(menschliche Gestalt in einem Ei), wie sie schon die brahminische Literatur in dem
„Manava Dharma Shastra" etwa 1300 vor Christi auf Grund älterer Quellen gibt.
Die Inschriften, die diese Darstellung begleiten, zeigen nach Plongeon ägyptische
Schriftzeichen. Die Figur in dem Ei zeigt Spuren blauer Bemalung; in Ägypten
wurde den Gottheiten diese Farbe zugeteilt; derselbe Gebrauch findet sich bei den
Mayas. In einem anderen Hause fanden sich ungeheuerliche Köpfe, die de Plongeon
als Darstellungen des Mastadons erkannt zu haben glaubte. Er sieht in der Masta-
donverehrung den Vorfahren der Verehrung des Elefanten in Asien.

Als sehr wichtig erwies sich das Grabmal des Prinzen Coh, dessen Statue
der Forscher gehoben hat. Hier fanden sich merkwürdige Übereinstimmungen mit
ägyptischen Bräuchen und Überlieferungen. Ein Altar zeigte eine Skulptur, die
Priester bei der Darbietung von Früchten und Blumen an den abgeschiedenen
Helden darstellte. Unter den Figuren, die die Altarplatte trugen, befand sich eine,
deren Gesicht von Schlangen fast bedeckt ist. Man hat daraus zu schließen, daß
sie ein Mitglied der königlichen Familie darstellte, denn die Schlange war bei den
Mayas wie bei den Ägyptern das königliche Emblem. Bemerkenswert ist ferner, daß
das lange Haar dieser Frauengestalt über eine Seite ihres Gesichtes herabgezogen
ist, ein Gebrauch, der auch bei den ägyptischen Matronen als Zeichen der Trauer
angewendet wurde. Mit am merkwürdigsten aber bleibt die aus den Denkmälern
erkennbare Lebensgeschichte des Prinzen Coh, die Ähnlichkeit mit der Osirismythe
aufweist. Osiris wurde in Ägypten als Leopard dargestellt und seine Priester trugen
über ihrer Amtstracht ein Leopardenfell. Der Name des Prinzen Coh bedeutet
gleichfalls Leopard. Osiris hatte zwei Schwestern: Mau oder Isis und Nike. Coh
hatte (immer nach Plongeons Annahme) auch zwei Schwestern Moo und Nike. In
Ägypten wurden zwischen die Tempel, die Isis und Osiris von ihrem Sohne Hör
geweiht wurden, Sphinxe gesetzt. Hör erinnert an den Hai der Mayas und Hai war
der Sohn der Moo von ihrem Gatten Coh. Auf dem Grabe Cohs fand sich ein
Leopard mit einem Menschenkopfe — eine mexikanische Sphinx. Nun die Mythe
von Coh selbst. Wie bei den Ägyptern, so war auch bei den Mayas die Geschwisterehe
im Fürstenhause üblich. Einmal aber waren zwei Brüder Nebenbuhler und der


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