Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
4.1910/11
Seite: 372
(PDF, 173 MB)
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ginnend, in ein begeistertes Bekenntnis zur idealistisch» optimistischen Lebensauffassung
ausklang. Der Mensch der Gegenwart, so führte der Vortragende aus, ist
eingeklemmt in diese kalte, harte Zeit zwischen 9eine nie rastende, hastige, maßlos
anwachsende Arbeit und einem aussichtslosen, entgötterten Weltall. Die Daseinskultur
hat ihn ganz an sich gerissen; statt eines allerbarmenden persönlichen Gottes
hat er nur eine kalte, fühllose Natur, statt Hoffnung und Zuversicht die Entwicklungslehre
, statt brüderlicher Liebe Lohn und Arbeit. Doch wo bleibt sein Glück? Diese
Frage wendet sich an alle und jeden, sie ist unabweislich, es ist die menschlichste,
die tiefste aller Fragen. Wir fühlen trotz aller Zivilisation, trotz vielfach besserer
äußerer Umstände, es fehlt uns etwas, eben das Gefühl des Glücks! Woher nun
diese Öde, dieser Hunger der Seele, diese tiefe Unbefriedigung vor all dem Fortschritt
, dieser Kultur, dieser fabelhaften Leistungen, dieser märchenhaften Erfindungen?
Ehedem hatte das Leben einen geistigen Hintergrund, die Natur den des religiösen
Lebens, das in ihr das Werk eines allmächtigen und gütigen Gottes sah. Später sah
man mit Rousseau die Natur künstlerisch, sie war eine tröstende Freundin, wogegen
sie heute ein Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung, eine unendliche, undurchdring*
liehe Dunkelheit, eine wirre Wildnis ist. Ehedem war die Welt eine religiöse Gemeinschaft
, wer aber hat heute etwas für sein Herz von den wirtschaftlichen Vereinigungen?
Die Verbindungen der Wirtschaft und des Staates sind noch keine Verbindung der
Gesinnung und des inneren Lebens. Einsam, glücklos, sehnsüchtig und bange leben
wir dahin, die Arbeit läßt uns gar nicht zu uns selber kommen; wir können nicht
an der Bildung und Veredlung der Seele arbeiten, die Eitelkeit, der Schein, das
lärmende Getöse der Banausen wird immer unerträglicher. Was kommt dabei heraus
? Was ist mit dem Geschrei gewonnen? Wie jämmerlich gering ist der Einfluß
auf unser Inneres! Was will der Fortschritt und die Macht der Technik — wir
wollen den Sinn von dem allen haben! — Früher konnte man sich doch retten in
die Stoa, in die Religion, aber da mußte man eben glauben; dieser Grund ist uns
verschüttet, wir glauben nicht mehr, wir sind elend, gottlos geworden, und [wenn
es etwas gibt, woran wir zu glauben vermöchten, so ist es unsere — Indivualität.
O über dieses jämmerliche Gebilde, das nur groß sein will, aber nicht groß ist; diese
komische Aufgeblasenheit, dieses Produkt der Stimmung! Und noch einmal: Was
ist des Ganzen Sinn?

Nun wendete sich der Gedankengang des Vortrages, an ein Zitat aus Pascal
sich anschließend, das lautet: »Wer findet einen Schmerz darin, kein König zu sein,
als ein entthronter König!" — Man empfindet eben nur dann einen Schmerz, wenn
man empfindet, zu etwas berufen zu sein, ohne es erfüllt zu sehen. Weil etwas in
uns vorhanden ist, ein Göttliches, wahrhaft Hohes, was nach Bestätigung ringt.
Weil wir ein Verlangen nach einem tieferen Verhältnis zur Menschheit und zur
Welt haben, darum muß es ein solches tieferes Verhältnis sicherlich auch geben.
Diese Sehnsucht nach Glück, Gottheit und Seligkeit könnten wir ja gar nicht haben,
wenn wir bloße Sklaven des Schicksals wären! Und noch ein Wort Pascals: „Du
würdest mich nicht suchen, wenn du mich nicht gefunden hättest4. (!) — Dieses
Ewigkeitsverlangen sei der Beweis unseres ewigen Seins! Haben wir aber diese
Zuversicht, so gilt es, die Gewähr und ihre Zeichen auch in unserer Zeit zu finden,
und wenn wir nur ernstlich darangehen, so werden wir auch in dieser Zeit die
tiefen, ewigen Quellen der Wahrheit ebenso rauschen hören wie vergangene Geschlechter
. Die Wissenschaft hat eine nie dagewesene Organisation erlangt, die
Kunst hat die Bildung neuer Seiten unseres Seelenlebens bewirkt, die Kultur eine
menschenumfassende Kraft; das Verantwortlichkeitsgefühl für die Schwachen, Enterbten
, Gefallenen ist so groß geworden, wie es früher niemals war. Die Arbeit
ist eine Macht geworden, die Ehrfurcht einflößt. Aber könnten denn so mächtige
Gebilde, wie unsere Staaten, unsere Heere, unsere Schulen, unsere Wissenschaft und


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