Freiburger historische Bestände - digital

4

— 593 —

Materialisationen zurückkehren zu ihrem Medium.« Und wie der Mann
immer näher rückte und das Licht immer mehr und mehr zusammenschrumpfte
, sah John, daß der Mann in den Kirchstühlen gelbe Augen
hatte, leuchtende, schwefelgelbe Augen. Da ging John hinaus. Im
Finstern wollte er nicht in Gemeinschaft des gelbäugigen Mannes arbeiten.
Als er aber draußen war, bereute er seine Nachgiebigkeit und schon
wollte er wieder in die Kirche gehen. Ehe er aber die Tür aufmachte,
wollte er noch einmal durchs Schlüsselloch sehen, wohl nach dem Licht,
ob es noch brannte. Da glotzte ihn dicht an der Tür von innen ein
glänzendes, brennendes, gelbes Auge an, so nah und so furchtbar, daß
er zurückprallte und nie wieder abends in der Kirche gearbeitet hat.

Dann hören wir von einem Wahrträumer Qudjon, der nicht mit
dem Oroßboote ausfahren wollte, weil er im Traume das Boot mit seiner
ganzen Besatzung untergehen sah. Aber da er nicht wußte, ob er von
seiner Gabe des Wahrträumens Gebrauch machen und die andern warnen
sollte oder ob das etwa ein Kreuzen der Pläne Gottes wäre, so behielt
er seine Warnung für sich und wurde gerettet, die andern aber, 17 an
der Zahl, ertranken noch am Strande, vor seinen Augen. Da wurde es
ihm immer klarer, daß er die Kameraden hätte warnen sollen und daß
er nun an ihrem Tode schuld sei. Lange lief er nun umher, und als er
zur Nacht heimkam und den langen Gang in seinem Hause hindurchtastete
, fühlte er an beiden Seiten des Ganges die nassen Kleider seiner
ertrunkenen Kameraden und im Dämmerlichte erkannte er sie alle 17,
wie sie da standen und auf ihn warteten. Dabei fühlte er, wie er im
Wasser stand; der Boden hatte Löcher und die waren mit Wasser gefüllt,
das von den Kleidern der Ertrunkenen troff. Der alte Gudjon fühlte,
daß er zu seinen Kameraden gehörte, obgleich er nicht mit ihnen ausgefahren
war. Seine Sinne verwirrten sich? er glitt und sank zu Boden
und ertrank in einem der Löcher. So war sein Traum nun völlig wahr
geworden,, denn er hatte die ganze Besatzung untergehen sehen, alle 18
Mann, wobei er selber war.

Schier fatalistisch wie diese Erzählung mutet die Geschichte von
der schönen, jungen Sigrun an, die blühend, lebenstrotzend, jugendtoll
war und schön singen konnte, die aber in ihrer Lebensfreude die alte,
halbverfallene Kirche nicht mehr sehen wollte und sie darum abbrechen
ließ. Doch Sigrun wußte nicht, was eine alte isländische Sage lehrt:
Wer eine Kirche niederreißt, der soll des Todes sterben. Und bei dem
nächsten furchtbaren Erdbeben hat sie der Tod erfaßt und hat seinen
Zahn in ihren blühenden Leib gebrückt. Von der Zeit welkte Sigrun
dahin und ward von hartnäckiger Rückenmarksauszehrung hingerafft.
Eine Zeitlang freilich, als sie noch an das Leben glaubte und leben
wollte, konnte sie dem Tode noch gebieten. Da stand die Krankheit
still und alle konnten auf Genesung hoffen. Als aber der anklagende
leere Kirchplatz Sigrun in die Augen fiel, brach ihr Glaube zusammen,

Zentralblatt für Okkultismus. Jhrg. IV. 38