Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
4.1910/11
Seite: 694
(PDF, 173 MB)
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tief in sich hinein, daß der wohlgenährte völlig verschwunden ist und sämtliche
Rippen über einem ungeheur tiefen Loch hervortreten. Er zieht auf erschreckliche
Weise alle Muskeln seines Halses zum Kopf hinauf, so daß er einem anatomischen
Präparat gleicht oder dem verhungerten Heiligen Bartolomäus im Dom zu
Mailand. „Das machen ich nur durch den Willen, das alles!"

Aber das alles ist noch gar nichts. Nordini erklärt, er wolle beweisen, daß
er sich genau wie die indischen Fakire oder Yoghis lebendig begraben lasse. Die
Inder haben es zwar durch die fabelhafte Konzentrationskraft ihres Willens schon
dahin gebracht, monatelang tot zu bleiben, aber auch Nordini ist auf dem besten
Wege dazu. Er demonstriert unter schaurigen Vorbereitungen, wie er zehn Minuten
lang ganz ohne Leben bleiben kann. Er zieht einen Lederanzug an, den die
Ärzte vorher auf versteckten künstlichen Sauerstoff untersuchen. Er verstopft die
Nase mit Wattebäuschen, füllt die ganze Mundhöhle mit W'atte und ist nun vom
lebendigen Atem abgeschnitten. Ein großer Qlassarg wird herangeschoben; der
Yoghi steigt hinein, legt sich mit nach unten gewendetem Qesicht nieder. Fröhlich
atmende Diener schütten nun auf den Regungslosen Riesensäcke voll Sand aus. Der
Qlassarg ist bald bis zum Rande gefüllt, und schweigend, mit der Uhr in der Hand,
umstehen wir einen lebendig Begrabenen. Ein seltsamer Schauer weht jeden an.
Wir bleiben im Bann der Minuten, deren Ablauf dem Eingesargten durch einen lauten
Gongschlag vermittelt wird. Endlos dehnt sich die Zeit, kein Hauch des Lebens kann
in diese Katakombe dringen, die schreckliche Frage tönt an: Wenn der Mann im

Qlassarg jetzt sich wirklich selbst begraben hätte? Aber siehe da--nach zehn

langen Minuten regt sich's leise im Sande, langsam hebt sich's und teilt sich's, rasch
werden von oben die Sandberge beiseite geschoben, und der Tote steigt lebendig
zum Licht.

Die Ehre des Fakirs ist gerettet.

Wie brachte er's zustande? Wie atmete er? Wie hielt er das Leben an,
wie gab er sich's wieder? Niemand vermag es zu sagen. Er selber aber sagt:
„Alles geschehn mit bloßen Willen, bitte!"

Der wundersame Yoghi sieht nicht einmal sehr „tot gewesen" aus. Freilich,
sein Puls zählte vorher 110 Schläge, jetzt zeigt er 39 an. Unseren Fakir verdrießt
das nicht; er macht sich sogleich an die Weiterarbeit und vollbringt noch einige
„Willensphänomene", die nicht weniger erstaunlich sind. Scharfgezackte Kugeln läßt
er auf seinen bloßen Arm herabschnellen, und sie hinterlassen keine Wunde, Feuerbrände
gleiten über Rücken, Brust und Hände, aber er bleibt unversengt wie einer
der Männer im feurigen Ofen.

Zum Schluß aber hält sich der König des Willens den Anwesenden „bestens
empfohlen". (Berliner Tageblatt)

Nachschrift des Schriftleiters: In allerlei Reiseberichten und
wissenschaftlichen Werken „gegen den Aberglauben" versuchte man die indischen
Fakire als Schwindler hinzustellen. Jetzt tauchen mitten unter uns
weiße Fakire auf! Das ist allerdings eine fatale Sache.

Die Schlafkur. In der friedlichen und ein wenig schläfrigen Landschaft
der Touraine ist ein eigenartiges Paradies für Nervenkranke erstanden, das von
den Gründern, die Menschenkenner zu sein scheinen, den treffenden Namen „Som-
narium" erhalten hat. Die einzige Pflicht, die die Gäste dieser Anstalt zu erfüllen
haben, ist, zu schlafen, zu schlafen bei Tag und zu schlafen bei Nacht. Der nie
aussterbenden Sehnsucht nach der Romantik des Ungewöhnlichen ist Rechnung getragen
: Wer einmal dies Schlummerland betreten hat, läßt die Welt und seine Vergangenheit
hinter sich. Alle Kleider und Toiletten, die man unter Menschen trug,
werden zurückgeschickt, neue Qewänder müssen angelegt werden. Aber die Patienten
, Nervenleidende, die an schwindender Willenskraft, Gedächtnisschwäche,


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