Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
5.1911/12
Seite: 68
(PDF, 169 MB)
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Statue mit Blut bespritzt ist, und drei Mal ruft sie in ihrem Schlaf aus:
»Zu Hilfe, sie morden Cäsar!«

Der dritte Fall, auf den Bacon hinweist und der durch die moderne
Seelenforschung aufs neue erwiesen ist, findet in Brutus ein Beispiel,
der durch das Erscheinen von Cäsars Geist über den ihm bevorstehenden
Tod unterrichtet wird. Eine Unmenge von ähnlichen Fällen gehört in
diese Kategorie, wie die pessimistische Deutung des Cassius, als über
sein Heer Raben, Krähen und Geier hin wegfliegen; Shylocks Kummer,
als er von Geldsäcken träumt; Helena, die in »Ende gut, alles gut« eine
Ahnung von ausnahmsweise glücklicher Bedeutung empfängt; die Bürger
in »Richard HL«, in »Julius Cäsar« und in »König Johann«, die als Volksmasse
ebenso wie einzelnen Individuen zuweilen von ahnungsvoller Furcht
befallen sind, was Francis Bacon naturphilosophisch mit den Worten
ausdrückt: »Wie oft vor einem ausbrechenden Aufruhr der Wind hohl
bläst und die See geheimnisvoll schwillt, so ist es auch im Leben der
Staaten.«

Nicht immer kündigt sich das Unglück in üblen Vorzeichen an,
nicht immer schickt das Glück einen freundlichen Vorboten voraus; oft
überfällt die Menschen das Mißgeschick im Augenblick der Fröhlichkeit,
und der Kummer ist zuweilen nur der Nebelvorhang, den plötzlich die
freudige Ueberraschung teilt. Die okkulte Lebensweise Shakespeares hat
auch diese Schicksalsmöglichkeiten enthüllt und mit feiner Ironie die
Unzulänglichkeit des Menschenwitzes in den Dingen der Vorsehung vor
Augen geführt. Wie lernt doch der Dauphin von Frankreich in
»Heinrich V.« das Unglück als die natürliche Folge seiner Selbstüberhebung
und allzu siegesgewissen Fröhlichkeit kennen.

»Will's nimmer Tag werden? Ich will morgen eine Meile trotten,
und mein Weg wird mit englischen Gesichtern gepflastert sein!«

Allein nach der Schlacht hat er die Ironie des Schicksals begriffen:

»Verachtung sitzt und ew'ge Schande höhnend
In unsern Federbüschen.« —

In der großen schottischen Tragödie ist Hecuba, die Königin der
Hexen, selbst bemüht, durch eine täuschende Prophezeiung Macbeth zu
berücken; sie erweckt in ihm die hinterlistigen Geister, die ihn täuschen,

»Daß mit Macht Beschwörung

Ihn treibt in Wahnwitz und Zerstörung:

Dem Tod und Schicksal Sprech' er Hohn,

Nicht Gnad' und Furcht soll ihn bedrohn:

Denn wie ihr wißt, war Sicherheit

Des Menschen Erzfeind jederzeit.«

Unter den vielen Beispielen von trügerischer Vorahnung, die sich
in »Heinrich IV.«, »Verlorne Liebesmüh'«, »Cymbeline«, »Viel Lärm um
Nichts«, »Troilus und Cressidä« und »Romeo und Julia« finden, verdient
insbesondere das letzte hervorgehoben zu werden.


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