Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
5.1911/12
Seite: 137
(PDF, 169 MB)
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ziehungslose Ausdrücke haben und vielleicht darum übler daran sind^
indem wir vielleicht mehr wissen, aber weniger verstehen. Für ihn ist
die Natur noch nicht entgöttert; statt dürrer Begriffe hat er anschauliche,
tiefsinnige, vielsagende Symbole, die Sinnliches und Uebersinnliches leicht
verknüpfen und ein magisches Licht verbreiten. Aber hinter dem plastisch
greifbar anschaulichen Bild, das auch dem naiven Gemüt verständlich
war, steht eine esoterische Deutung, die in den Geheimbüchern der
Magie aufbewahrt und von dem Dichter gewiß gekannt ist und, vom
veränderten Sprachgebrauch abgesehen, der strengsten exakten Prüfung
nicht nur Stand hält, sondern unsere eigene moderne Naturerkenntnis bei
weitem übertrifft. Darum kann der Dichter, ohne als abergläubisch zu
erscheinen, an der alten Ueberlieferung der Dämonologie festhalten, und
wir werden sehen, daß die heutige Wissenschaft die anfangs geleugneten
Erscheinungen dieser Art wieder beglaubigt, wenn sie auch ein anderes
Erklärungsschema zugrunde legt. Im »Sommernachtstraum« steht die
ganze vergötterte Welt der Antike wieder auf und dennoch geht alles
durchaus folgerichtig und naturgesetzlich zu. In den personifizierten
Göttern und Teufeln, Riesen und Zwergen, Kobolden und Gnomen,
Genien und Geistern, Nymphen und Faunen drückt sich das Gegensätzliche
, die zweispältige Einheit der menschlichen Natur aus, das überethische
und unterethische Prinzip, das im »Sturm«, dem metaphysischesten
Werk des Dichters, am klarsten zum Ausdruck kommt. Ariel und Caliban
heißen hier die Verkörperungen des überethischen und unterethischen
Moments, der Geister und dämonischen Gewalten. Dieses spukhafteste
aller Stücke gleicht einem Geheimbuch der Magie und enthüllt zugleich
im Gewände der alten zaubervollen Symbolik das tiefste und reifste
Naturverstehen mit dem imaginären Wegweiser auf den großen, unsichtbaren
Gott. Die sittliche Welterfahrung, nur dem höher organisierten
Menschen bewußt, weiß von dem Kampf zwischen dem Genius und dem
Dämon. In allen Verwandlungen begegnen sich Ariel und Caliban, der
Geist des Lichts und der Geist der Finsternis. Wie groß die sittliche
Kraft in den Werken des Dichters ist, geht daraus hervor, daß der un-
sterbliche Genius über die Dämonie dieser Welt endgiltig siegt. So
lange dies nicht der Fall ist, müssen selbst Verstorbene zeitweilig ins
Leben zurückkehren, bis der Geist Gottes versöhnt ist. Auch dies ist
Naturgesetz. Die alte Geisterlehre spricht davon, daß Ermordete in der
spukhaften Gestalt des Toten so lange wiederkehren, bis das Verbrechen
gesühnt ist. Sie erzählt von Unglückshäusern und Spukhäusern, von
Geistern, die kommen und Warnungen und Ratschläge erteilen oder
Rache verlangen für die Unbill, die ihnen in dem früheren Leben widerfahren
ist. Sie ruhen nicht, bis nicht ihre Schatten versöhnt sind, Hamlets
Vater erscheint ajs solcher Geist.

Immer wieder spielt Shakespeare in einer sehr bedachten Wahl der
Worte auf diese menschliche Doppelnatur an. Auf die Frage des An-


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