Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
5.1911/12
Seite: 162
(PDF, 169 MB)
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Bewußtsein sich zu bedeutender Geltung bringen; allein sogar bei den
Wahrnehmungen ist seine Beteiligung kein unbedingtes Erfordernis.
Ich erläutere das an einem Beispiele: Ich sitze im Theater und lausche
einer Vorstellung, die durch die vorzügliche Wiedergabe eines ausgezeichneten
Werkes meine ganze Seele gefangen nimmt. Mitten darin
geschieht eine Unordnung am Gewände eines Schauspielers; ich sehe
das sehr deutlich, doch ist meine Andacht beim Hören eine zu große,
als daß ich das im geringsten beachte. Als der Vorhang gleich darauf
fällt, sagt mein Nachbar: »Herr B. hat uns da etwas recht nettes vorgemacht
mit seiner Tunika, die er offenbar schlecht angezogen hatte.
Haben Sie die Geschichte denn nicht wahrgenommen?« Nur diese sofortige
Frage weckt mir im Bewußtsein die Erinnerung, daß ich allerdings
deutlichst eine Wahrnehmung hatte, die ich sonst mir nie ins Bewußtsein
gerufen, die ich vollständig vergessen hätte. Die bewußte Vorstellung
der Wahrnehmung kam mir also nicht bei der Wahrnehmung selbst,
sondern sie stellt sich erst hinterher ein. Und ebenso geschieht es, daß
wir der Dinge, die wir früher einmal bewußt und genau wahrnahmen,
bei erneuter Wahrnehmung ganz und gar nicht acht zu haben brauchen.
Wir können eine Treppe, deren Bau und Windungen wir uns einmal
einprägten, bei erneuter Wahrnehmung ihrer Eigentümlichkeiten, während
wir im Sinnen oder in Unterhaltung begriffen sind, hinansteigen, ohne
sie überhaupt nur zu bemerken und während unser' angespanntes Bewußtsein
im Reiche entferntester Vorstellungen weilt.

3. Wenn unsere Empfindungsfähigkeit von äußerster Schärfe ist, so
daß dem Auge oder dem Ohr kein Eindruck entgeht, so besitzt sie darum
noch keine Unterscheidungsfähigkeit, die erst beim Vergleiche
und der feinsten Auseinanderhaltung einer Menge von Sinneseindrücken
hervortritt Dadurch erst wird es der Psyche ermöglicht, die für sie
durch die Empfindung bereits gefärbten Fäden ihres Innenlebens in ein
Muster zusammenzureihen. So ist die Unterscheidungsfähigkeit eine
Vorstufe zu den Künsten, indem Farben und Töne in ihren zartesten
Uebergängen von Lichtern und Schatten, von Höhen und Tiefen, harte
und weiche Formen in ihren unerschöpflich mannigfaltigen gegenseitigen
Beziehungsverhältnissen, sämtliche Ausdrücke des Seelenlebens beim Tier
und vollends beim Menschen in der Verschiedenheit ihres unendlichen
Reichtums der Bildungen und der Physiognomie, der Bewegungsspiele
des Körpers und der Mienen eine Vorratskammer anfüllen, die dem
Kunstschaffen niemals versiegt. Aber auch der überlegende strenge Forscher
erhält durch die Unterscheidungsfähigkeit aller Sinneseindrücke des
äußeren Lebens, indem sie ihm ermöglicht, wirklich zu sehen und zu
beobachten, die Vorbedingungen für sein Erkennen. Diese Unterscheidungsfähigkeit
verlangt aber wiederum noch durchaus kein Bewußtsein,
das sich dabei erst bei einer wachen Aufmerksamkeit einstellt und sogar
mitten in der genialen Schaffenstätigkeit sowohl des Künstlers wie des


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