Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
5.1911/12
Seite: 244
(PDF, 169 MB)
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Okkulte Umschau.







Gibt es ein Leben nach dem Tode? In einer Zeit, in welcher der Unglaube
so gewaltig überhand nimmt und so frech in der Öffentlichkeit sein Haupt erhebt,
daß dadurch so viele sich jeder Rechenschaft über ihr Verhalten und Tun überhoben
dünken und deshalb die Verbrechen, Selbstmorde und die Unsittlichkeit auf eine so
erschreckende Weise überhandnehmen und die Gerechtigkeit und Liebe in der krassesten
Selbstsucht und Genußsucht erlöschen, weil so viele ihr einziges Glück nur
im Diesseits suchen, ist es für jeden Pflicht, je nach seinen Kräften, dem Unglauben,
der Wurzel aller dieser Übel, zu steuern. Um die Schwankenden und die ehrlich
nach Wahrheit Suchenden im Glauben an Gott und die Ewigkeit zu befestigen, die
mit der Verzweiflung Ringenden zu retten und um die Wahrheit des göttlichen
Wortes aus der Erfahrung zu bestätigen, fühle ich mich gedrungen, ein merkwürdiges
Vorkommnis in meinem Leben öffentlich bekannt zu geben.

Ich war in Fünfbronn, O. A. Nagold (Württ.), von 1870—1878 als Schullehrer
und hatte dort einen wirklichen, nicht bloßen Namenchristen Namens Matthäus
Waidelich, Landwirt, zum Freund, der mir und andern viel Liebe und Freundschaft
erwiesen hat. Zur Kennzeichnung seines Charakters will ich nur das anführen, daß
er mir, so lange wir zusammenlebten, die Erträgnisse des Schulgutes in der Nähe
seines Wohnhauses unentgeltlich nach Hause führte, ja daß er oft, wenn ein Regen
oder ein Gewitter im Anzug war, jedesmal mein Heu oder meine Garben, ohne vorher
lange anzufragen und ohne meine Mithilfe in Sicherehit brachte, ehe er an das Seine
dachte, das dann manchesmal im Regen liegen blieb. Als ich ihn einmal fragte,
warum hast du denn nicht das Deinige zuerst heimgeschafft, erklärte er mit freundlichem
Lächeln: „Das Meinige ist auch nicht verdorben; im Worte Gottes heißt es:
„Ein jeglicher sehe nicht auf das Seine, sondern auf das, das des andern ist. Ein
jeglicher sei gesinnet, wie Jesus Christus auch war." Solches geschah 5 Jahre lang.

Da kam eines Tages ein anderer guter Freund, Philipp Schwemmle, fast
atemlos mit der Hiobspost: „Der Matthäus ist am Sterben!" Ich eilte mit ihm zu
meinem sterbenden Freunde. Er war nicht mehr beim Bewußtsein und der Todeskampf
war schon eingetreten. Es waren etwa 6 Personen anwesend und sein
Schwager, Schultheiß Theuerer, betete laut aus einem Gebetbuch ganz in nächster
Nähe des Sterbenden. Nach dem Gebet begrüßte ich ihn und die übrigen Anwesenden
, die am Fußende des Sterbelagers standen. Während ich einige Worte mit diesen
wechselte, war mir Schultheiß Theuerer von meinem jetzigen Standplatze aus
durch diese Personen verdeckt. Als ihn mein Auge suchte, glaubte ich ihn weit
rechts in einer freien Ecke des Wohnzimmers stehen zu sehen und ging auf ihn zu.
Als ich nur noch einen Schritt von dem vermeintlichen Schultheißen entfernt war,
blieb ich vor ihm stehen, sah ihm in die Augen und sagte: „Gottlob, nun hat es der
Matthäus wohl bald überstanden." Da verschwand er plötzlich vor meinen Augen.
Ich war ganz bestürzt und sah Schultheiß Theuerer auf seinem früheren Standplatze
ganz nahe vor dem Sterbenden. Als ich zu ihm trat, nahm ich wahr, daß mein
Freund in diesem Augenblick verschied. Ich fragte Theuerer, ob er nicht vor einem
Augenblick dort drüben in jener Ecke gestanden sei. Er erklärte: „Ich bin nicht
von dieser Stelle gekommen." Nun erzählte ich ihm, was ich soeben erlebt hatte,
und nahm erst jetzt in acht, daß der Herr Schultheiß im Werktagsanzug dastand,
während die Gestalt im Sonntagsgewand vor mir stand. Schultheiß Theuerer erschrak
ebenfalls heftig und sagte: „Das war mein verstorbener Bruder. Der Matthäus
und er hatten miteinander ausgemacht: Wer von uns beiden zuerst stirbt, hat
den andern beim Eintritt seines Todes abzuholen." Das geschah beim hellen Tage


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