Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
5.1911/12
Seite: 369
(PDF, 169 MB)
Bibliographische Information
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schiedenes Ding und gleichsam nur das Haus ist, welches sein geistiges Ich bewohnt
und in welchem der Bewohner aus und eingehen kann, so daß während der
Abwesenheit des rechtmäßigen Besitzers andere Wesen darin einziehen und davon
zeitweilig Besitz ergreifen können, so dürfte der folgende Fall, der sich in Watseka
in den Vereinigten Staaten von Nordamerika ereignet hat, geeignet sein,
diesen Beweis zu erbringen.

Lurancy Venum, die Tochter von Thomas und Lavinda Venum,
wurde am 16. April 1864 geboren. Im Jahre 1871 zog ihre Familie nach Watseka
und ließ sich in der Nähe eines Hauses, in dem eine Familie namens Roff wohnte,
nieder, mit der sie aber nur flüchtig bekannt wurde. Bis zum Jahre 1877 erfreute
sich Lurancy einer vorzüglichen Gesundheit, dann aber traten Anfälle von Traumerscheinungen
ein, während deren sie mit den Geistern von Verstorbenen zu verkehren
schien. Zwei allopathische Ärzte, die sie behandelten, konnten ihr nicht
helfen. Die Angelegenheit wurde zum Stadtgespräch und der Methodistenprediger
des Ortes drang darauf, man solle das Mädchen in ein in der Nähe gelegenes Irrenhaus
schicken.

In der menschenfreundlichen Absicht, sie davor zu retten, riet Mr. Roff, einen
ihm befreundeten Arzt, Dr. E. W. Stevens in Janesville (Wisconsin), der den
Ruf eines „geistigen Heilkünstlers" besaß, zu Rate zu ziehen. Als der Arzt ankam,
fand er die Patientin auf einem Stuhle am Ofen sitzend, die Ellbogen auf die Knie,
das Kinn auf die Hände gestützt, ihre Blicke waren starr in die Leere gerichtet und
sie sah wie eine alte Hexe aus. Sie sprach mit niemandem; als aber Dr. Stevens
kam, fuhr sie ihn wütend an, er solle es nicht wagen, ihr näher zu kommen; ihren
Eltern gab sie Spottnamen und weigerte sich, sich von irgend jemand berühren zu
lassen. Schließlich gelang es dem Arzt doch, ihr einige Antworten auf seine Fragen
zu entlocken. Sie behauptete, ein dreiundsechzigjähriges Weib und vor drei Tagen
durch die Luft aus Deutschland gekommen zu sein.

Später wechselte die Art der Besessenheit, und nun ward sie angeblich ein
junger Mann, namens Wiliie Canning, der von Hause entlaufen und urris Leben
gekommen war. Schließlich fiel sie in einem Zustand von Katalepsie zu Boden.
Vermittelst magnetischer Striche brachte der Arzt sie wieder zum Bewußtsein, und
nun ward sie wieder Lurancy Venum wie zuvor; sie sprach ganz vernünftig und
behauptete, im Himmel gewesen zu sein. Auf den Rat des Arztes, sie solle, wenn
eine Wiederkehr der Besessenheit nicht zu vermeiden wäre, unter den Geistern
eine bessere Auswahl treffen, nannte sie die Namen von verschiedenen längst verstorbenen
Personen, darunter auch einen „Engel" namens „Mary Roff". Als
Mr. Roff dies hörte, rief er aus: „Dies ist meine Tochter. Sie ist schon seit zwölf
Jahren im Himmel. Laßt sie kommen, sie wird uns willkommen sein."

Am nächsten Morgen wachte Lurancy anscheinend ganz gesund und glücklich
auf, aber nun war sie nicht mehr Lurancy Venum, sondern Mary Roff. Sie
kannte ihre eigene Familie nicht, sondern bat, man möge sie „nach Hause" zu ihren
Eltern, den Rolfs, gehen lassen. Alle Versuche, ihr begreiflich zu machen, daß sie
bereits zu Hause sei und da bleiben müsse, waren vergebens; sie fuhr fort zu
weinen und konnte nur darin Trost finden, daß sie, wie sie sagte, wieder zu kurzen
Besuchen in den Himmel zurückkehrte. Wenn aber Mrs. Roff und ihre Tochter
Minerva auf Besuch kamen, dann schlang sie ihre Arme um dieselben, nannte die
eine ihre Mutter und die andere ihre Schwester und wollte sich nicht von ihnen
trennen. Wie schließlich die Venums sich entschlossen, sie „nach Hause" gehen
zu lassen, wie sie drei und einen halben Monat mit den Roffs glücklich zusammen
lebte, wie sie dieselben an viele Begebenheiten erinnerte, die sich im Leben der
verstorbenen Mary zugetragen hatten, und allerlei Sachen, Kleidungsstücke u. dgl.,
welche dieser gehört hatten, wieder erkannte, alles dies ist in dem Buche: „The
Watseka Wonder" (erschien bei W. Rider & Son lt., London) beschrieben.

Zentralblatt für Okkultismus. V. Jhrg. 24


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