Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
5.1911/12
Seite: 410
(PDF, 169 MB)
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ten einzelnen Personen, nicht bei der ungeheuren Mehrzahl
der Menschen hervorrufen: der Mensch, der auf solche Gründe hin
zum Selbstmord schreitet, trug schon vorher die Keime des Selbstmordes
in sich, während die wirklichen und letzten Ursachen des Selbstmordes
tiefer liegen. Oaupp ging daher den einzigen erfolgreichen
Weg: er befragte und untersuchte auf das genaueste die Lebenden, die
einen mißglückten Selbstmordversuch unternommen hatten, und kam nun
zu ganz umwälzenden Ergebnissen: Von 124 untersuchten Selbstmordkandidaten
erwies sich bei eingehender psychiatrischer
Untersuchung eine einzige Person als psychisch gesund; von
den übrigen aber waren 44 ausgesprochen geisteskrank, 12 epileptisch,
10 hysterisch, 28 litten an schwerem chronischem Alkoholismus, der in
der Regel auf Grund der Entartung erwachsen war und zu geistigen und
ethischen Schwächezuständen geführt hatte; alle übrigen waren Personen
von krankhafter Erregbarkeit oder ausgesprochener Willensschwäche,
Neurastheniker u. s. w. Jene eine Person, die unter 124 Selbstmordkandidaten
als geistig gesund befunden worden war, war ein Dienstmädchen
im achten Monate der Schwangerschaft, die von ihrem Geliebten,
der sich von den Alimenten freimachen wollte, ohne jene Berechtigung
der Untreue bezichtigt worden war, während er selbst sich mit anderen
Frauenspersonen herumtrieb, worüber verzweifelt das Mädchen in die
Isar ging. Da die Frauen während der Schwangerschaft sich in einem
Zustande erhöhter Reizbarkeit befinden, die vielleicht nicht selten vom
Physiologischen ins Pathologische geht, kann man auch in diesem einen
Falle sagen, daß die Täterin nicht in ganz normalem Zustande war.

Das also sind die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen
Gaupps über den Selbstmord, die sich auf ein reichhaltiges statistisches
Material einwandfreier Herkunft stützen. Welche Folgerungen ergeben
sich nun daraus?

Der Selbstmord ist eine psychopathische Erscheinung. Von
124 Selbstmordversuchen in München war ein einziger im Zustande geistiger
Gesundheit begangen worden! Somit wird aus dem »Verbrechen« eine
krankhafte Affekthandlung, deren wesentliche Ursache in der pathologischen
Natur des Lebensmüden liegt. Und so gehört der Selbstmord
in die Reihe der pathologischen Gesetzmäßigkeiten und sein Auftreten
, seine Häufigkeit, die Art seiner Ausführung u. s. w. vollziehen sich
in der mechanischen Art des Naturgeschehens. Dies ist nicht eine
»materialistische« Ansicht, sondern vielmehr die Einsicht in ein Naturgesetz
, das uns allerdings grausam dünkt, aber nicht grausamer als andere
Naturgesetze, die uns mit Sicherheit Krankheiten, Epidemien, Unfälle,
Erdbeben u. s. w. bringen.

Wie aber nun, wenn ein Bankier Betrug auf Betrug häuft und zum
Schlüsse, wenn der Arm der »strafenden Gerechtigkeit« ihn ereilt, zum
todbringenden Revolver greift? War er nicht geistig gesund und ist


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