Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
5.1911/12
Seite: 530
(PDF, 169 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1911/0536
— 530 —

sein ist die Quelle des genialen Schaffens1). Das Unterbewußtsein
arbeitet aber willenlos,2) das heißt automatisch. So sagt der eben genannte
Autor mit Recht, daß die bedeutendsten Erfinder die Arbeitsschwierigkeiten
dann überwanden, wenn ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes
gerichtet war. »Ich habe in meinem Leben einige gute Einfälle gehabt«,
sagt du Bois-Reymond, »und mich manchmal dabei beobachtet. Sie
kamen völlig unwillkürlich, ohne daß ich einmal an die Dinge dachte«.
Eckermann sagt, 1. daß auch Goethe von den Ideen zu Gedichten
überfalllen wurde: »Sie kamen plötzlich über mich und wollten
augenblicklich gemacht sein, so daß ich sie auf der Stelle niederzuschreiben
mich getrieben fühlte.« Mit Kraft seines unterbewußten Ichs3)
hat Phidias Marmor und Bronce geformt, hat Raphael Madonnen gemalt,
Beethoven Symphonien komponiert. 2. Das Unterbewußtsein liegt aber
abseits vom Willen, wirkt rein automatisch. Wie unverhoft gerade die
geistigen Prozesse einsetzen, wie wenig sie mit dem Menschen an sich
zu tun haben, das zeigt der umgekehrte Fall, wenn ein Künstler schaffen
möchte — und nicht kann; wenn also die Gedanken ausbleiben und
nicht hervortreten, trotz der größten Willensanstrengung. So quälte sich
Hugo Wolf in den Jahren 1891 bis 1895 vergeblich ab und litt entsetzlich
unter dem Mangel an zuströmenden Einfällen. 3. Wir finden ähnliche
Unterbrechungen bei Brahms, Wagner, Schiller. Und gerade dies
letzte Beispiel zeigt deutlich, wie die Sache liegt. Warum ist nach der
großartigen Produktionskraft Schillers in dem achtziger Dezennium ein
Umschwenken der geistigen Interessen ins Philosophisch-Historische zu
bemerken? Weil der Dichter in Schiller zurücktreten muß. Weil er
nicht weiter kann, wenn er auch möchte. Von 1844—46 stockt bei
Hebbel alles produktive Schaffen. 4. Und die Beispiele ließen sich beliebig
erweitern. Die Umkehrung des geistigen Schwergewichtes eines
Genies von einem Gebiete in ein anderes hängt nicht, wie viele meinen,
mit dem freien Willen, sondern mit dem von Natur gegebenen Zwange
zusammen. Aus allem bisher Gesagten ergibt sich demnach, daß die
geniale Geistestätigkeit sowohl zeitlich wie genetisch ein Vorgang ist,
der fast abseits vom Individuum steht, findet. Der Mensch hat sozusagen
mit seinem Geistesleben nur eine empfangende Gemeinschaft. Er
gebietet nicht darüber. Auch das Genie wird aber hier und da nicht
als das Muster einer menschlichen Natur angesehen werden. Es wird

spruch den Kern der Sache besser trifft als alle anderen: »Das Leben der Seele
ist in seiner Art ein anderes alsdasdesKörpers; deräußereMenschweiß
in der Regel nicht, was der innere tut, weil er keine völlige Selbsterkenntnis
besitzt! (Neue Lotusblüten 1912, Jan -Feb.-Heft S. 39.) Die Schriftleitung.
*) Dessoir, Doppel-Ich, Leipzig, 1890, S. 40.

2) Willenlos kann nur ein Automat arbeiten, Automaten sind aber nie
schöpferisch tätig! Wo wir daher schöpferische Tätigkeit sehen, müssen wir auf
ein zielbewußtes, schaffen des »Ich« schließen. (Der Schriftleiter.)

3) Also doch eines »Ichs« und keines Automaten! (Der Schriftleiter.)


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1911/0536