Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
5.1911/12
Seite: 604
(PDF, 169 MB)
Bibliographische Information
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Okkulte Umschau.







Im Gerichtssaale hypnotisiert. Das Prager Strafgericht verhandelte jüngst in
einem Aufsehen erregenden Adelsfälschungsprozesse gegen den Bauoberkommissär
der Prager Staatsbahndirektion Siegmund Ritter v. Versbach, der beschuldigt war,
die Pfarramtsmatrikel des Dorfes Versbach in Bayern gefälscht zu haben, um sich
den Rang eines Reichsritters beizulegen. Der Angeklagte, ein kleiner, blasser, unscheinbarer
Mann, gab die Fälschung zu, bestritt aber, davon gewußt zu haben.
Er habe in der Kirche nur Nachforschungen nach dem Reichsritterstande seiner Familie
anstellen wollen, er sei in der Kirche wiederholt von Traumzuständen befallen
worden.

Der als Zeuge geladene Nervenarzt Dr. Wiener erklärte, der Angeklagte, der
früher an einem Muskelrheumatismus gelitten, hochgradig hysterisch sei und an
Visionen und Halluzinationen leide, stehe zweifellos unter dem hypnotischen Einflüsse
einer dritten, unbekannten Person. Er selbst habe den Angeklagten hypnotisiert
und der Angeklagte habe ihm in der Hypnose gestanden, daß er von einer
dritten Person hypnotisiert worden sei. Den Namen dieser Person konnte er aber
nicht angeben, weil ihm dies von der betreffenden Person unter starker Suggestion
verboten worden sein dürfte. Er dürfe den Namen der Person nur dem nennen,
der ihn mit derselben Formel hypnotisiere und diese Formel auf dieselbe Art
spreche. Die Formel habe er erfahren können, sie laute (hierbei blickte der Zeuge
den Angeklagten starr an): „Deus aeternus . . ." In diesem Moment springt der
Angeklagte von seinem Stuhle auf, seine Augen verglasen sich, er streckt beide
Arme wagerecht starr aus und spricht mit dumpfer Stimme, die gar nicht aus seinem
Munde zu kommen scheint, eine sinnlose lateinische Formel langsam weiter.
Der Gerichtshof gerät in große Aufregung. Der Präsident bittet den Zeugen bestürzt
, den hypnotischen Zustand zu unterbrechen. Der Zeuge reicht dem Präsidenten
lautlos ein Papier, auf dem die lange Formel steht, und der Präsident verfolgt
nun, völlig passiv und machtlos, wie der Angeklagte Wort für Wort die Formel
weiter murmelt. Der Zeuge fragt den Angeklagten: „Wo lesen Sie das?" — Angeklagter
: „Auf einer Tafel." — Zeuge: „Wo steht die Tafel?" — Angeklagter: „Sie
ist auf dem Sessel." — Tatsächlich macht der Hypnotisierte mit dem Kopfe die leisen
Bewegungen von links nach rechts, wie man sie bei einem Lesenden beobachten
kann. Ein Beisitzer des Gerichts zündet die elektrische Lampe vor seinem Pulte an
und läßt den Hypnotisierten durch den Zeugen fragen: „Sehen Sie jetzt besser?" —
Dr. Wiener: „Wann haben Sie die Tafel zum letzten Male gesehen?" — Angeklagter
(langsam): „In der Hofburg über dem Kopfe Sr. Majestät des Kaisers." — Dr. Wiener:
„Was wollten Sie dort?" — Angeklagter: „Ich wollte dem Kaiser mein Gnadengesuch
überreichen."

Der Staatsanwalt, der sich zuerst dieser merkwürdigen Szene gegenüber faßt,
fragt den Präsidenten: „Ist denn ein solches Experiment vor Gericht überhaupt zulässig
?" — Der Präsident zuckt mit den Achseln und bemerkt: „Hier bin ich machtlos
." — Es wird ganz still im Verhandlungssaal. Man hört nur das schwere Schnaufen
des Hypnotisierten, der immer noch mit ausgestrecktem Arm dasteht. Der Gerichtsarzt
Dr. Pelnar zuckt skeptisch die Achseln. Zeuge Dr. Wiener ruft ihm erregt
zu: „Ist der Mann nicht hypnotisiert?" Er erbittet sich von einem Sachverständigen
eine große Nadel und sticht unter großer Erregung des Publikums den Hypnotisierten
tief in die Kopfhaut und in die Armmuskeln. Der Angeklagte zuckt nicht. Die
Aufregung im Gerichtssaal ist aufs höchste gestiegen. Alles drängt gegen die
Schranken. Die Richter sitzen hilflos hinter ihren Pulten! Sach-


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