Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
5.1911/12
Seite: 660
(PDF, 169 MB)
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Gegenüber dem Empfangsraum Dr. Bouceks liegt seine Kanzlei. Wir löschten
sofort den Lüster und sahen nun — über einen kleinen Lichthof hinweg — direkt auf
-die dunklen Fenster des Kanzleizimmers. Es dauerte eine Weile, dann flammte
drüben das elektrische Licht auf. Unter der elektrischen Lampe stand, geduckt, heimlich
wie ein Dieb, Ingenieur v. Versbach. Langsam schlich er sich zur Registratur
und fing an die Fächer auszukramen. Er fand sein Faszikel nicht gleich. Dr. Boucek
hatte es absichtlich in das Registraturfach „B" gelegt, nicht in das Fach „V", in das
es eigentlich gehörte.

Während v. Versbach behutsam alle Akten der Reihe nach aus den Fächern
nahm, folgten wir ihm, von Dr. Wiener und Dr. Boucek geführt, in die Kanzlei. Versbach
schien uns nicht wahrzunehmen. Endlich hatte Versbach seine Akten
gefunden, suchte mit doppelter Eile unter den einzelnen Blättern, fand endlich die
Kopie seines althebräischen Briefes und ließ sie augenblicklich in seiner Brusttasche
verschwinden. Dann schritt er tastend zurück.

Wir waren ihm vorausgegangen und saßen wieder im Salon, als er zurückkam
. Er ging augenblicklich auf Dr. Wiener zu und überreichte ihm die Kopie des
Briefes: „Pardon, Herr Doktor, fast hätte ich vergessen, Ihnen den Brief zurückzugeben
." „Einen Brief, ich habe Ihnen doch keinen gegeben?" „Aber doch, Herr Doktor
, erinnern Sie sich nur, gerade vor einem Augenblick. Die Herren hier müssen
es ja wissen." Er blickte uns, Unterstützung suchend, an. „Ja, ja, fast hätte ich
das vergessen," meinte Dr. Wiener.

Ein letzter Versuch wird noch auf Wunsch Doz. Kalauners gemacht. Er bringt
ein überraschendes Resultat, den vollsten Erfolg im Sinne der Verteidigung: die
Namen jener Personen, die angeblich hypnotischen Einfluß über v. Versbach
hatten, die Namen jener, unter deren hypnotischem Zwang v. Versbach nach den
bayrischen Dörfern Versbach und Kürnach reiste, dort in die Matrikel Einsicht nahm
und Fälschungen in den Taufmatrikeln vornahm, um die Richtigkeit seiner angezweifelten
adligen Abstammung zu erweisen. Dieses Resultat brachte die „a u t o m a -
tische Schrift".

Dr. Wiener führte Versbach in ein kleines Seitenzimmer, ließ ihn vor einem
Schreibtisch Platz nehmen und befahl ihm: „Sie werden auf dieses Papier die Namen
jener Personen schreiben, unter deren Einfluß Sie nach Versbach und Kürnach fuhren!"
Versbach lächelte sehr ungläubig: „Ich kenne diese Namen nicht und ich werde sie
auch nicht niederschreiben können!" „Bitte, folgen Sie mir, nehmen Sie den Bleistift
; so, setzen Sie ihn leicht auf das Papier; so, richtig, dann wenden Sie sich bitte
zu mir. Wir wollen über die Avancementsverhältnisse bei den österreichischen
Staatsbahnen sprechen."

Das Gespräch begann. Ich fixierte scharf die Hand v. Vers'bachs, die zuerst
apathisch und bewegungslos auf dem weißen Papier lag. Dann zuckte das Gelenk.
Und langsam, mit der Regelmäßigkeit einer ganz unwillkürlichen Bewegung strich
der Bleistift über das Papier. Und die Linien formen sich zu Buchstaben, die Buchstaben
zu Worten. Versbach sprach mit abgewendetem Gesicht immer weiter, schien
schließlich selbst an dem Gespräch interessiert. Und die Worte reihten sich langsam
aneinander und schlössen sich zu zwei Namen, zu einer furchtbaren
Anklage. Dann stockte der Bleistift. Dr. Wiener brach das Gespräch ab und
nahm das Papier an shh.

„Was haben Sie da eben geschrieben?"

„Ich — geschrieben? — Was denn?" Es klang aufrichtig erstaunt.
„Sie haben diese zwei Namen geschrieben?"
„Nein, gewiß nicht."


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