Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
5.1911/12
Seite: 665
(PDF, 169 MB)
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Caudry begeben hatte, da das Gerücht von der Heilung zu ihm gedrungen war, schildert
seine Eindrücke wie folgt: Auf dem Marktplatz in Caudry sahen wir einen
langen Zug von Menschen, die sich nach dem Hause der Geheilten begaben, um
sie zu beglückwünschen. Viele Anhänger der Sekte waren darunter, die Lobgesänge
anstimmten. Seit die Kunde von der wunderbaren Heilung sich verbreitet hat,
strömen zahlreiche Menschen aus der ganzen Umgegend in dem Städtchen zusammen,,
um sich von der Wahrheit des Gerüchts zu überzeugen. Die Geheilte, Helene Thery,
wohnt mit ihrer Mutter, einer Witwe, in einem Häuschen in einem ärmlichen Viertel.
Das Haus war von einer großen Menschenmenge umlagert, so daß es geraume Zeit
dauerte, bis wir vorgelassen wurden. Die Mutter des Mädchens erklärte, daß dieses
von Geburt an überaus schwächlich gewesen sei und sich nur aufrechtzuerhalten vermochte
, wenn es sich an der Wand oder an Möbeln festhielt; die rechte Hälfte des
Körpers ist gelähmt und Arm und Bein sind auf dieser Seite verkrüppelt. Das Mädchen
selbst sagte aus, daß es in dem Hause des Heilers von einer starken inneren
Erregung ergriffen worden sei; beim Anblick des Heilers habe sie, von einem innern
Zwange getrieben, mit lauter Stimme ihren Glauben an ihn bekannt und alsbald zu
ihrer Freude erkannt, daß sie sich aufrechthalten und gehen konnte. Unter dem
jubelnden Beifall einer tausendköpfigen Menge sei sie dann mehrmals um das „Heiligtum
" herumgegangen. Zum Beweis der Wahrheit stand die Geheilte auf und ging
quer durchs Zimmer und zu ihrem Sessel zurück, wobei sie merklich hinkte und ihren
verkürzten Fuß nachzog. Anton der Heiler hat, wie seinerzeit berichtet wurde, vor
etwa einem Jahre ein Gesuch an die Regierung um Anerkennung seiner Sekte
gerichtet.

Geistergeschichten vom Zarenhof. Unter diesem Titel brachten kürzlich einige
größere Tageszeitungen nachstehende Erlebnisse der Zarenfamilie: „Die Gräfin Vera
Branitzkaya, eine ehemalige Hofdame der Zarin, veröffentlicht jetzt im „New
York American" eine Reihe von Aufsätzen über das Leben am russischen Hofe und
beginnt mit einem Kapitel „Geistergeschichten vom Zarenhofe".

Zu ihrer Zeit, so behauptet sie, standen der Zar und mittelbar auch die Zarin
unter dem Einflüsse einer ganzen Reihe von Magiern, Sehern, Okkultisten
und dergleichen Leuten, die sie für Betrüger erklärt. Zum Beweise dafür
erzählt sie verschiedene Geistergeschichten, die sie aus dem Munde des Zaren oder
der Zarin selbst gehört haben will. Eines Abends hatte sie mit dem Zaren in der
Bibliothek des Winterpalastes irf Petersburg eine längere Unterredung über Geister
und den Geisterglauben. Sie machte durchaus kein Hehl daraus, daß sie alle Geistergeschichten
für plumpen Schwindel hielte. Darauf erklärte ihr der Zar folgendes:
„Ich glaube an Geister, weil ich welche gesehen hab e." Dann
erzählte er folgende Geschichte:

„Eines Abends las ich in meinem Studierzimmer, als ich plötzlich eine Stimme
und ein Geräusch wie heftiges Atmen im Nebenzimmer hörte. Tagsüber halten sich
mein Sekretär und mein Page in diesem Räume auf, aber zur Nachtzeit steht dort ein
Posten. Ich stand auf und öffnete eilig die Tür. Was ich erblickte, ließ mein Blut
fast erstarren. In der Mitte des schwach erhellten Raumes stand ein offener Sarg"
und darin lag mein Vater, wie ich ihn zuletzt in der Sankt Peter- und Paul-Kathedrale
gesehen habe. Auf dem Sarge und auf dem Boden daneben lagen schwere Kränze;
neben dem Haupte stand ein hoher Leuchter, in dem eine Wachskerze brannte. Der
Körper mit seinem blassen Gesichte und Augen, die nach dem Haufen von Kränzen
gerichtet waren, befand sich in halbliegender Stellung. Ein starker, schrecklicher
Kirchhofsgeruch erfüllte den Raum. Ich starrte wie gelähmt auf das schreckliche
Bild und sah deutlich den Körper auf und ab schwanken, während irgendwo hinter
mir eine hohle Stimme ertönte. Ich blickte mich um und sah den Posten, das Gewehr
in der Hand, zu Tode erschrocken. Er konnte nichts als stöhnen."

Nach seiner eigenen Erzählung forderte der Zar den Posten auf, mit dem

Zentralblatt für Okkultismus V. Jahrg. 44


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