Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
7.1913/14
Seite: 54
(PDF, 170 MB)
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dannen. Und der Ruf der Heiligkeit der kranken Nonne war nicht, wie das sonst
immer der Fall zu sein pflegt, vom ungebildeten Volke geschaffen worden, sondern
hatte sozusagen seitens der geistlichen Behörden eine offizielle Billigung erfahren.
Als vor zwei Jahren die Cistercienserin eine Art Jubiläum ihres Märtyrertums feierte,
richtete der Papst, der sie persönlich kannte, ein eigenhändiges Schreiben an sie;
er ließ ihr dieses Schreiben, in dem er sie bat, für ihn zu beten, durch den Kardinal
Dassotta zustellen, und der Kardinal zelebrierte an dem bedeutungsvollen Tage in
der Klosterzelle der Schwester die Messe. Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und
andere Würdenträger der Kirche erschienen in dem engen Zimmerchen. Die Königin
-Witwe, die die Schwester mehreremal persönlich besuchte, ließ aus Rom geschickte
Krankenpflegerinnen kommen und stellte sie der „Heiligen" zur Verfügung.
Man behauptete allgemein, daß Schwester Benedetta Prophetin und Hellseherin gewesen
sei; so soll sie die Ermordung des Königs Humbert in dem Augenblick, in
welchem sie in Monza geschah und bevor noch irgendein Mensch außerhalb Monzas
von der schweren Bluttat Kenntnis haben konnte, mit allen ihren Einzelheiten genau
geschildert haben. In Viterbo gab es Leute, die fest überzeugt waren, daß die
heilige Nonne nie sterben werde, und man ist jetzt geradezu enttäuscht, weil sie
doch gestorben ist und die stille Stadt sozusagen um ihre größte Sehenswürdigkeit
gebracht hat. Das Kloster, in dem Schwester Benedetta (ihr weitlicher Name war
Penelope Frey) gelebt und gelitten hat, ist sonst für die Außenwelt streng verschlossen
; seit zehn Jahren aber war die strenge Klausur mit Erlaubnis der Geistlichkeit
eigens für die Wunderschwester durchbrochen worden, so daß jedermann
die Zelle, in der die Kranke lag, betreten durfte. Bemerkenswert war die Musikliebe
der kranken Schwester. Früher stand vor ihrem Bett ein winziges Klavier,
auf dem sie mit einer Hand spielte. Später schenkte man ihr ein besseres, das in ein
Nebenzimmer gestellt wurde; irgendeine musikalische Nonne mußte der Kranken
dann etwas vorspielen. Viel wird von den Prophezeiungen der Schwester, die
immer eingetroffen sein sollen, erzählt. Einmal schenkte der Kardinal Bedini, Bischof
von Viterbo, dem Kloster eine Anzahl Kerzen. Als die Kranke das hörte, sagte sie
nachdenklich: „Diese Kerzen werden an seiner Bahre brennen." „Was reden Sie
da," entgegnete die Äbtissin, „Seine Eminenz ist ja kerngesund!" „Lassen Sie sich
nicht durch den Schein täuschen, Mutter," sprach Schwester Benedetta, „ich weiß,
daß diese Kerzen bei seinem Begräbnis brennen werden." Und zwei Tage
später war der Kardinal ein stiller Mann.

Dem durch seine Finanzgeschäfte „berühmt" gewordenen Bernardo Tanlongo
prophezeite Benedetta zur Zeit des Banca Romana-Prozesses, daß er freigesprochen
werden würde, und auch das war richtig. In Viterbo ist man daher fest überzeugt,
daß die Kirche die Frau, die schon zu Lebzeiten eine Heilige war, auch wirklich
heiligsprechen werde.

Ist der Schäfer Ast hellsehend? Alle unsere Leser, die im Deutschen Reich
leben, werden sicherlich schon etwas vom „W underdoktor Schäfer Ast"
in R a d b r u c h bei Hamburg (an der Strecke Hannover—Hamburg) gehört
haben. Ast ist seit ungefähr 20 Jahren als „Wunderdoktor" bekannt, erfreut sich
eines riesigen Zulaufes und hat zweifellos an Tieren und Menschen große Kuren
vollbracht.

Ganz eigentümlich ist sein Vorgang bei Stellung der Diagnose. Es genügen
ihm dazu einige Haare, die er entweder selbst dem Patienten aus dem Nacken schneidet
oder die man ihm von fernen Kranken überbringt. Diese Haare besichtigt er
ganz kurze Zeit mit einem Vergrößerungsglas und sagt darauf prompt, was dem
Kranken fehlt, verordnet gleich darauf das für diesen Fall passende Heilmittel, und
nun kommt gleich der nächste Kranke dran, denn Schäfer Ast hat viel zu tun.
3—400 Personen kommen täglich zu ihm nach Radbruch und ebensoviele Briefe mit

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