Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
7.1913/14
Seite: 279
(PDF, 170 MB)
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man noch vor 35 Jahren in England und Frankreich als Abortivmittel verwendete,
bestand aus gekochtem Vipernfleisch, zusammengekochten Fröschen, Regejiwürmern
und anderen Animalien und Vegetabilien und einem Zusatz von Merkur. Auch in
den Schriften der gelehrten Äbtissin von Bingen, der heiligen Hildegard, ist von
der Heilkraft des Vipernfleisches die Rede. Wenn auch diese Schlangen, meint die
Äbtissin, Qift in sich haben, so eignen sie sich doch als Heilmittel, weil einige Teile?
ihres Leibes von dem guten Safte der Erde, der gute Kräuter hervorbringt, haben.
In der früheren Pharmakopoe kamen verschiedene Teile des Vipernleibes zur Verwendung
, die öalle als schweißtreibendes Mittel, gesottene und gebratene Vipern,
Vipernsuppe, Vipernfleisch in Form von Gelees, Pulver aus Herz und Lebet der
Viper, Weingeistextrakte einzelner Fleischteile gegen Fieber, Fallsucht, Pocken,
Schlagfluß, Lähmung, Zahnfäule, Viperngift gegen Cholera, gelbes Fieber, Hundswut,
Lepra, Vipernfett gegen Wunden und Quetschungen, bei Augenkrankheiten, gegen
Schwindsucht. Bis weit in unsere Zeit herein glaubte man an die Heilkraft dieser
Mittel und galt Otternfett als Schönheitsmittel, zur, Beseitigung der Hautrunzeln.
Der zu Ende des 15. Jahrhunderts lebende Qenueser Arzt Cataneus hat einen allgemein
anerkannten „Tractatus de morbo gallico" geschrieben. Damals war
Europa von einer furchtbaren Seuche, die man die gallische Krankheit nannte, he;im-
gesucht, gegen die man mit dem Mithridat, dem Theriak und anderen Mitteln, bei
denen durchweg das Vipernfleisch eine Rolle spielte, ankämpfte. Cataneus ließ die
Kranken mit einer Quecksilbersalbe einreiben, welche außer Merkur und einigen
anderen Bestandteilen auch Vipernfett enthielt. Um die Krankejn auch im Winter
nach dieser Viperntherapie behandeln zu können, ließ er einen Sirup aus Vipernfleisch
bereiten. Und auch gegem pestartige Seuchen wandte man dieses Mittel an.
In einem Briefe, den ein sehr tüchtiger, wissenschaftlich gebildeter, deutscher Arzt,
Medizinalrat W. X. Jansen, von dem wir auch ein Buch: „(Briefe über Italien"
(Düsseldorf 1794) besitzen, aus Siena an den Leidener Professor Sandifort geschrieben
hat, heißt es: „So häufigen Gebrauch man in anderen italienischen
Städten, besonders in Venedig, von den Vipern macht, von denen man ganze Kübel
voll auf den Fenstern der Materialisten stehen sieht, ebenso stark bedient man sich
hier der Eidechsen." Ein berühmter englischer Arzt des 18. Jahrhunderts, Mead,
kennt noch den Gebrauch des „Vipernweines", der in der Londoner Pharmakopoe
offizineil war und hergestellt wurde, indem man getrocknete Vipern eine Woche
lang in leicht erwärmtem Wein ausziehen ließ. Man verwendete solchen Wein
unter anderem bei Appetitlosigkeit. Schon bei Musitanius und Galen ist von der
Vipernsuppe und einem weinigen Aufgusse von Vipernfleisch als Mittel gegen hartnäckige
Geschwüre und Hautkrankheiten zu lesen. Der Leibarzt Karl IL, Thomas
Sherley, empfahl den „Fledermausbalsam" als Heilmittel gegen Hypochondrie.
Dieser Balsam wurde aus Vipern, Fledermäusen, Regenwürmern, Hirschmark,
Schweinefett und dem »Hüftbein eines Ochsen bereitet.

Aber nicht nur die Vipern, auch andere Giftschlangen fanden und finden
therapeutische Verwendung. In Indien gilt das Fleisch der Brillenschlangen als
Heilmittel gegen die Schwindsucht. Fayrer führt da diesbezüglich nach Angaben
eines gelehrten Eingeborenen als Wirkungen des Cobragiftes an: Beschleunigung
des Pulsschlages, Verbreitung von Wärme über die ganze Oberfläche des Körpers,
Beförderung der Tätigkeit der Sekretionsorgane, Unterstützung der Wirkung anderer
Heilmittel, heilsame Wirkung bei Cholera, Fallsucht und Geistesstörung. Bei den
Chentius, einem indischen Volksstamm in den Nallamalleybergen, wird das Gift der
Königshutschlange (Naja bungarus), einer bis 4*/2 Meter langen Brillenschlange,
mit Öl verdünnt in kleinen Portionen getrunken, um sich so gegen Schlangenbiß
fest zu machen. Die Giftdrüsen, Giftzähne, der Gaumen und die Galle werden da,
um die Medizin immer zur Hand zu haben, sorgfältig aufbewahrt. Im Jura lassen
sich gewerbsmäßige Vipernfänger, um sich gegen die Giftwirkung zu immunisieren,
mehrmals im Jahre von Vipern beißen. Nach Moberky halten sich Inder schon


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