Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
8.1914/15
Seite: 3
(PDF, 145 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1914/0007
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Ludwig Tieck als Okkultist.

Okkultistisch-literarhistorische Skizze.

Von Robert Sigerus.

Die Beurteilung dessen, ob ein Autor — sei es nun ein Naturforscher
, Philosoph oder Dichter — als Vertreter irgend einer der
verschiedenen Richtungen des Okkultismus bezeichnet werden könne,
oder ob er wenigstens in irgend einer Hinsicht okkultistische Anschauungen
an den Tag gelegt habe, bedarf der Vorsicht. Wenn z. B.
Voltaire, dieser hervorragendste und eigentümlichste Vertreter
der französischen „Aufklärtingsperiode", in dem Drama „Semiramis"
ein Gespenst auftreten läßt, so darf deshalb allein natürlich nicht
angenommen werden, er habe etwa Sympathie für Anschauungen
gehegt, die heute als „spiritistisch" gelten. Wird jedoch daran
erinnert, daß er zwar oft Zweifel gegen die Unsterblichkeit der
Seele geäußert, sie aber eigentlich niemals geradezu geleugnet hat und
daß er den Materialismus La M e 11 r i e s für eine Narrheit erklärte,
so liegt die Sache immerhin schon ein klein wenig anders.") Wenn
anderseits L e s s i n g , der „Patriarch der deutschen Geistesfreiheit",
Aeußerimgen getan hat, die verminen lassen, daß er heute „Anti-
Spiritist" sein würde, so darf nicht vergessen werden, daß derselbe
Lessing in der Schrift „Hamburgische Dramaturgie" eben bei Besprechung
des erwähnten Voltaire'schen Dramas über die Gespensterfrage
sich äußert: „ . . . . in dieser Sache, über die sich fast ebensoviel
dafür als darwider sagen läßt, die nicht entschieden ist und nicht
entschieden werden kann, hat die gegenwärtig herrschende Art zu
denken den Gründen darwider das Gegengewicht gegeben . . . ."
Es läßt sich also ohne weiteres fragen, wie Lessing sich zu spiritistischen
Anschauungen gestellt haben würde, wenn etwa Aksäkow,
du P r e I, W a I 1 a c e , C r o o kes, L o dge, L o m b r o s o usw.
seine Zeitgenossen gewesen wären. Uebrigens ist Lessing in seiner
Abhandlung „Ueber die Erziehung des Menschengeschlechtes", deren
Hauptideen auch in den „Gesprächen für Freimaurer" erörtert werden,
für den Gedanken der „Palingenesie" oder „Palingenie" (Wiederverkörperung
) eingetreten. Daher würde also auch noch die Frage
bezüglich Vereinbarlichkeit spiritistischer Anschauungen mit solchen
der Palingenesie zu berücksichtigen sein, — Jedenfalls wird man aber
weder Voltaire noch Lessing als Okkultisten ansehen können.

Selbstverständlich ist die Qualifizierung eines Autors als Okkultist
um so sicherer zu bewerkstelligen, je mehr einschlägige Belege und
Zeugnisse aus seinen Schriften beigestellt werden können. So läßt
sich z. B. Goethe, wie dies Hofrat Dr. M. S e i i i n g in dein (im

*) Allerdings wird von vielen Seiten behauptet, Voltaire habe den Glauben
an die individuelle Unsterblichkeit vollständig aufgegeben. R. S.

1*


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